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| Logische Konsequenzen der Freigabe der Abtreibung2. Juli 2020 in Prolife, 3 Lesermeinungen „Die Diskussionen um ‚Planned Parenthood Federation of America‘ und ‚She decides‘ werfen Fragen auf“ – Gastkommentar von Lothar C. Rilinger Berlin (kath.net) Die Diskussionen um die Organisationen Planned Parenthood Federation of America und She decides werfen Fragen auf, die die Erörterung der rechtlichen Freigabe von Abtreibungen transzendieren hin zu Fragen des Lebensschutzes an sich. Unabhängig davon, dass die Organisation Planned Parenthood aus der zutiefst rassistisch orientierten Organisation American Birth Control League hervorgegangen ist – aus einer Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hatte, die Vermehrung der afro-amerikanischen Bevölkerung einzuschränken, damit diese nicht zur Mehrheitsgesellschaft in den USA werde –, wird die geforderte totale Entkriminalisierung der Tötung ungeborenes Leben und damit die Tötung bis zum Moment der Geburt nicht ohne Konsequenzen für das gesamte Rechtssystem und damit für das Recht auf Leben durchgesetzt werden können.
Der ungeborene Mensch wird von den Befürwortern der uneingeschränkten Freigabe der Abtreibung als ein rechtloser Zellhaufen angesehen. Dadurch wird ihm die Qualität als ungeborener Mensch entzogen – er wird als Sache behandelt und damit als etwas, das über keine eigenen Rechte verfügt. Die Vorstellung, dass auch der ungeborene Mensch als imago Dei angesehen werden muss, soll nicht näher erörtert werden, da ich mich auf juristische Erwägungen beschränken möchte, um aufzuzeigen, was für rechtliche Konsequenzen auftreten würden, wenn die Tötung ungeborener Menschen bis zur Geburt entkriminalisiert wird.
Selbst wenige Zellen des gerade empfangenen Menschen werden von unserer Rechtsordnung als Rechtssubjekte und damit als Träger von Menschen-, aber auch von Erbrechten angesehen. Aus naturbedingten Gründen kann dieser werdende Mensch noch nicht selbst seine Rechte geltend machen, dies ist ihm erst möglich, wenn er geboren ist. Doch er kann schon Inhaber von Erbrechten sein. Wenn einem ungeborenen Menschen testamentarisch Erbrechte zugewiesen werden, kann er diese, sollte der Erblasser vor der Geburt des Erben verstorben sein, unmittelbar nach seiner Geburt geltend machen. Wenn er aber nur als Zellhaufen und damit als Sache angesehen wird, könnte dieser Sache vor der Geburt kein Erbrecht zugewiesen werden.
Wir haben damit festgestellt, dass der ungeborene Mensch auch jenseits des Menschenrechts auf Leben als Rechtssubjekt angesehen wird. Dies hat zur Folge, dass durch die Abtreibung die Rechtssphären zweier Rechtssubjekte tangiert werden – die der Mutter und die des Kindes. Infolgedessen negiert der Schlachtruf: „Mein Bauch gehört mir!“, dass auch das ungeborene Kind als Rechtssubjekt angesehen wird.
Bis zur Wiedervereinigung galt in unserem Strafrecht, dass die Abtreibung im Rahmen der Indikationsregelungen straflos sein könnte. Nach der Wiedervereinigung wurde jedoch die Regelung aus dem Strafgesetzbuch der DDR und Ostberlin übernommen, wonach die Abtreibung in den ersten drei Monaten als Form der Empfängnisverhütung straflos gestellt wird. Allerdings reicht den oben erwähnten Organisationen diese Regelung nicht. Die Abtreibung soll bis zur Geburt rechtlich möglich sein.
Wenn in den ersten neun Monaten des Lebens eines Menschen die Tötung strafrechtlich irrelevant wäre, fällt es einem schwer, zu begründen, dass die Tötung eines Menschen während und am Ende seines Lebens strafbewehrt sein soll, schließlich unterscheidet sich ein Mensch kurz vor seiner Geburt kaum von demjenigen kurz nach der Geburt.
Wenn wir einen Blick in Alten- oder Pflegeheime werfen, müssen wir feststellen, dass dort viele Menschen leben, die kaum noch über ein Selbstbewusstsein verfügen oder nur noch künstlich am Leben erhalten werden. Die Pflege ist kostenintensiv und muss gegebenenfalls von den Angehörigen finanziert werden. Sollten diese zur Zahlung herangezogen werden, müssten sie oft ihr Vermögen verbrauchen, damit ein Mensch, der das alles oft nicht mehr merkt, gepflegt wird. Spätestens dann kann das Ego über das Nos triumphieren, was zur Folge haben könnte, dass kranke oder behinderte Personen gedrängt werden, in die Tötung einzuwilligen, damit die Angehörigen von ihren Zahlungen befreit und damit vor Verarmung geschützt werden.
Je mehr die Abtreibung entkriminalisiert wird, desto größer wird die Begehrlichkeit, Leben auch in anderen Bereich straffrei beenden zu dürfen. Es ist eine slippery lane, auf die man sich begibt, wenn man die Abtreibung insgesamt freigeben würde. Die Diskussion über die aktive Sterbehilfe hat uns diesen Prozess luzide vor Augen geführt. War die euthanasia auf Grund der Verbrechen im III. Reich noch 1945 verpönt, ist sie in Teilen Europas inzwischen sogar für Jugendliche erlaubt. Allein die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bezüglich des Verbots der geschäftsmäßigen Beihilfe zum Suizid und die hierin deutlich erkennbare Überbetonung des Selbstbestimmungsrechts des Menschen hat uns den Weg aufgezeigt, auf dem das höchste Verfassungsgericht zukünftig gehen will. Dieser Weg führt hin zu der Auffassung, dass, wenn jemand die Tötung wünscht, diese auch von Dritten straffrei vorgenommen werden darf, schließlich dürfe das Selbstbestimmungsrecht nicht hinter dem Anspruch des Staates auf Einhaltung des Rechts auf Leben zurückstehen.
Die Möglichkeit dieser Konsequenzen muss man vor Augen haben, wenn man die totale Entkriminalisierung der Abtreibung einfordert und unterstützt.
Lothar C. Rilinger ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht i.R., Stellvertretendes Mitglied des Niedersächischen Staatsgerichtshofes a.D.. Außerdem ist er Autor des Buches VRBS AETERNA. Bd.3
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