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Eine Zeugenbefragung von Markus van den Hövel

24. September 2019 in Interview, keine Lesermeinung
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Interview mit Armin Schwibach zur Causa Manoppello


Linz (kath.net)
Markus van den Hövel: Vorbemerkung: Vielleicht darf ich Sie höflichst bitten, einleitend kurz etwas zu Ihrer Person zu sagen ...

Armin Schwibach: Armin Schwibach, Jahrgang 1964, studierte Philosophie an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Seit 1989 an verschiedenen päpstlichen und kirchlichen Athenäen und Universitäten als Dozent für systematische Philosophie tätig (Schwerpunkt: Metaphysik, Erkenntnislehre, Wissenschaftsphilosophie, philosophische Gotteslehre; Kant, Deutscher Idealismus, Husserl, Heidegger). Publizist und Romkorrespondent der katholischen Internet-Zeitung „kath.net“. „Kenner“ des Vatikans und „vatikanischer Dinge“.

Markus van den Hövel: Wann haben Sie zum ersten Mal von dem Christusantlitz auf dem Manoppello-Tuch erfahren?

Armin Schwibach: Nun, das erste Mal war wohl so um das Jahr 1998/1999, durch den Kunsthistoriker und Professor an der Päpstlichen Universität Gregoriana Heinrich Pfeiffer SJ, der sich zusammen mit der deutschen Ordensfrau Blandina Paschalis Schlömer als erster in einer sowohl kunstgeschichtlich-wissenschaftlichen als auch theologisch-spirituellen Perspektive des Unikums angenommen hatte, das der Schleier von Manoppello darstellt. Pater Pfeiffer wurde es nicht müde, die Besonderheit des Objekts und dessen reale Bedeutung für das Leben der Kirche, ja des Christentums herauszustellen.

Markus van den Hövel: Für was halten Sie das Christusantlitz auf dem Schleier von Manoppello?
- Handelt es sich um ein "nicht von Menschenhand geschaffenes" Objekt?
- Oder um ein kunstvoll gemaltes Tüchleinbild?
Wenn ja: Könnten Sie ein vergleichbares Objekt transparenter Tüchleinmalerei benennen?
- Ist der Schleier von Manoppello das im Johannes-Evangelium beschriebene Schweißtuch?

Armin Schwibach: Das sind Fragen nach „Ist-Zuständen“: IST es ein derartiges Objekt, IST es im Grab Christi zusammen mit anderen auf dem Boden gelegen? Derartige Fragen sollten nicht an einem Anfang gestellt werden. Sie können vielmehr am Ende eines Weges zu einer Antwort gelangen, in der sich dann dieses „IST“ in all seinen Dimensionen zeigt. Die endliche Vernunft und das menschliche Erkenntnisvermögen sind zu unzureichend, um sich diesem Tuch angemessen zu nähern. Der Glaube dagegen läuft zwei andere Gefahren: zum einen kann ihn seine Schwäche daran hindern, ein mögliches Geheimnis einfach anzunehmen und in seinem Reichtum gelten zu lassen.


Zum anderen kann er meinen, dieses Geheimnis nutzen zu können, um dadurch eigene Unzulänglichkeiten zu verbergen. Der Schleier von Manoppello lässt nicht unberührt. Selbst seine größten und massivsten Verleugner bestärken seine eigentliche Kraft, indem sie als Verleugner in Erscheinung treten. Gelten-lassen, Sein-lassen, An-nehmen: das sind die wesentlichen Elemente des Wegs. Dazu kommen die eindrucksvollen Studien des bereits zitierten Jesuiten Pfeiffer und vor allem das Buch und die zahlreichen Artikel Paul Baddes, dem das Verdienst zukommt, Manoppello „dem Volk“ zugänglich gemacht zu haben. Dadurch wird es leichter, die Frage nach dem „quid est?“ immer enger zu umkreisen, erfasst von der Schwerkraft eines Zentrums.

Markus van den Hövel: fakultativ: Aus welchem Material besteht der Manoppello-Schleier?

Armin Schwibach: Wohl aus einem der seltesten Materialen der Welt: aus Byssos, der Muschelseide, die sich aus dem Sekret der Fußdrüsen der im Mittelmeer lebenden Edlen Steckmuschel (Pinna nobilis L.) gewonnen wird. Diese goldglänzenden „Fäden des Wassers“ sind sehr fein und delikat, sehr resistent. Ein aus Byssos gewobenes Tuch wird gleichsam zum Sinnbild des Ewigen, das sich als Materie in die Unendlichkeit hineingibt. Ein Gewebe, das leicht, frisch, fast unspürbar ist, Ausdruck der Kostbarkeit und Seltenheit. So wurde der Werkstoff aus Byssos seit dem Altertum immer als erstrebenswertes Zeichen für das Hohe und Edle gesehen.

Es sei dann auch an das Gemälde des Caravaggio erinnert, das in der römischen Basilika Sant’Agostino verwahrt wird: die Gottesmutter „des Pilgers“ mit dem Kind im Arm (1605), dem die Hirten auf Knien huldigen, trägt ganz leicht und transparent auf den Schultern ein Tuch aus durchsichtigem Byssos. Im Zusammenhang mit dem Bild von Manoppello muss auch daran erinnert werden: Byssos ist ein Stoff, der weder bemalt noch gefärbt werde kann, da ihm keine Farbe anhaften bleibt

Markus van den Hövel: Haben Sie den Schleier bereits in Manoppello „live“ gesehen?

Armin Schwibach: Ja, und das ist ein besonderes Erlebnis. Kein Foto kann die Facetten einfangen, unter denen sich dieses Bild „live“ präsentiert, immer anders, immer tief, immer weiterführender.

Markus van den Hövel: Kennen Sie ein vergleichsweises Objekt?

Armin Schwibach: Nein, so weit ich weiß, gibt es auf der Welt nichts Vergleichbares.

Markus van den Hövel: Was erzählen Sie Dritten über den Schleier?

Armin Schwibach: Die faszinierende Geschichte, wie dieser Gegenstand wohl während des Sacco di Roma 1527 aus dem Petersdom gerettet wurde, während die Stadt von den Landsknechten des Habsburgerkaisers Karl V. in Schutt und Asche gelegt wurde und man ihn weit weg von der Katastrophe in die Abruzzen brachte. Dann erzählt man fragend, worum es sich hier handeln kann, worum es sich vielleicht handelt, wie dieses Tuch gleichsam Zeichen für das Christentum ist, das keine Religion, sondern eine Geschichte und ein Ereignis ist, kosmische Liturgie, in deren Wirklichkeit Bild und Sinnbild stets ineinander verflochten sind. Was den Schleier betrifft: wird alles Erzählen immer zu weiterem Fragen führen

Markus van den Hövel: Was bedeutet das Christusantlitz auf dem Manoppello-Schleier für Sie persönlich?

Armin Schwibach: Es ist das Bild des geschundenen Gottesknechtes in dem Moment, da er das Böse und das Leid besiegt, definitiv, und seine Herrschaft antritt: im Reich Gottes, als der Christkönig, vor dem alle Kreaturen in die Knie fallen, vor dem das Böse und der Satan aufheulend fliehen. Es ist das Bild des Erlösers in etwas, das weder Zeit noch Raum hat, wie der Mensch sie erfasst: im Moment der Auferstehung. Ist es nun das Tuch, das zu jenen gehört, von denen im Johannesevangelium die Rede ist?

Wenn ja, dann ist es die geheimnisvollste Reliquie überhaupt, da es zum Einen auf dem Antlitz des gestorbenen Christus lag, um dann zum Zeichen seiner Auferstehung zu werden. Das Tuch aus „Fäden des Wassers“, das nur leicht und transparent ist, das man nicht spürt und das kein Gewicht hat – es repräsentiert das Joch Gottes, das neue Joch Christi, das in der Annahme seines Willens besteht.

kath.net-Buchtipp
Eine Zeugenbefragung
Von Markus van den Hövel
Taschenbuch, 192 Seiten
2019 Christiana-verlag
ISBN 978-3-7171-1315-7
Preis: 10.30 EUR

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