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Papst Franziskus und die vielen Wege

18. September 2024 in Kommentar, 10 Lesermeinungen
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„Vor allem der Satz ‚alle Religionen sind ein Weg, um zu Gott zu gelangen‘ hat es in sich. ‚Irgendwie‘ ist er richtig, einfachhin genommen aber, sprich: ohne präzisierende Einschränkung, falsch.“ Gastkommentar von Klaus Obenauer


Vatikan (kath.net) Es ist eine sehr nervenaufreibende wie zeitraubende Angelegenheit, sich mit doktrinal anstößigen Botschaften von Papst Franziskus auseinanderzusetzen, wenn man nun einmal ein recht differenziertes Problembewusstsein und waches Wahrheitsgewissen hat. Für die faire Analyse der Einzelaussagen in sich und im Kontext, den Abgleich mit anderen etc. geht einem im Rahmen einer spontanen Ad-hoc-Äußerung einfach die Zeit ab; man fühlt sich eigentlich überfordert und denkt, dass man gleich eine Doktorarbeit schreiben könnte – die dann doch „niemand“ liest.

Die jüngsten Äußerungen von Papst Franziskus in Sachen „Dialog und Verhältnis der Religionen“ – allem voran in Singapur – haben schon hie und da zu Reaktionen und Initiativen geführt. Trotzdem erscheint mir die Angelegenheit so ungeheuer wichtig, dass ich mein Scherflein auch dazu beitragen möchte, wobei ich mich allerdings – gemäß vorausgeschickter Andeutung – mit einer umrisshaften Problemskizzierung begnügen möchte. Ich habe Nachstehendes nach bestem Wissen und Gewissen verfasst, in der Kürze der Zeit: kann gut sein, dass Mängel in der Präzision etc. verblieben sind.

Bei der sich, auf den ersten Blick wenigstens, ungeheuerlich darstellenden Aussagen-Reihe im Rahmen der Ansprache an die Adresse der jungen Menschen in Singapur (13. 09.) scheint mir das grundlegende Problem Folgendes zu sein: „Irgendwie“ stimmen diese Sätze – aber ohne präzisierende Einschränkung sind sie unerträglich. Und in ihrer Komposition weisen sie in eine ganz fatale Richtung: Zumindest dem nicht-nuancenversierten Leser drängt sich doch der Spontaneindruck auf, hier werde eine christliche (nicht nur katholische) Fundamentalwahrheit verraten, nämlich die von der Heilsuniversalität Christi und seiner Kirche (wo auch immer sie zu verorten ist bzw. sie „subsistiert“).

Vor allem der Satz „alle Religionen sind ein Weg, um zu Gott zu gelangen“ hat es in sich. „Irgendwie“ ist er richtig, einfachhin genommen aber, sprich: ohne präzisierende Einschränkung, falsch. Denn der Glaube, so wie er katholisch aus-formuliert ist bis hin zum Zweiten Vatikanum und der Erklärung „Dominus Iesus“ von 2000, sagt: Der exzeptionslos für alle gültige Mittler (und so Weg: Joh 14,5sq.) zu unserem endgültigen Heil in Gott ist Jesus Christus, der Gottmensch, und er ist dies ausnahmslos für alle ebenso ausnahmslos durch seine Kirche beziehungsweise nicht an ihr vorbei. Letzteres bedeutet konkret: Dort und nur dort, wo es nicht die eigene Schuld des Betroffenen ist, welche die (volle) Gliedschaft in dieser Kirche verhindert – weil man in einem ganz anderen Überzeugungskontext aufgewachsen ist etc. etc. –, wird Gottes Heilswille wirksam durch ein Supplement für diese (volle) Kirchengliedschaft, nämlich qua Dennoch-Bezug zu dieser einen Kirche (Auch-irgendwie-Dazugehören, Verbindung, Hinordnung: ‚Lumen Gentium‘ 13fine-16); wobei diese Weise des Wirk-sam-Werdens von Gottes Heilswillen nach klassischer Lehre auch das wenigstens einschlussweise Verlangen, dieser Kirche zuzugehören, mitumfasst (DS 1524, 3869-3871). Mit diesem Dennoch-Bezug zur einen Kirche Christi, und zwar qua bloßer Hinordnung auf sie, kommen, ganz knapp gesagt, die nichtchristlichen Religionen ins Spiel: Sie gewährleisten, auf je ihre Weise und in sehr unterschiedlichen Niveaus, die ausdrückliche Artikulation der heilsnotwendigen Gottesbeziehung in Glaube – Hoffnung – Liebe. Wie dies auch noch bei polytheistischen Religionen geschieht, das muss hier nicht erörtert werden. Diese knappe Zusammenfassung der Lehre der Kirche, zumal am Leitfaden des Zweiten Vatikanums, genügt, um folgendes Resümee zu formulieren: Die Weise, wie die Kirche Christi und die nichtchristlichen Religionen Weg zum ewigen Heil in Gott sind, bewegt sich im Gefälle von – wie konkret auch immer zum Zuge kommendem – eigentlichem und universalem Heilsmittel einerseits und Surrogat zur Artikulation der Gottesbeziehung unter konstitutiver Hinordnung auf die Kirche Christi andererseits. Somit ist auch klar, dass das Heilsweg-Sein der nichtchristlichen Religion und das der Kirche nur inadäquat voneinander verschieden sind: Ersteres schließt Letzteres ein. Von daher schließlich: Die Kirche ist „gemäß ihrer selbst“ („secundum se“) und so einfachhin („simpliciter“), mithin einschränkungslos so zu nennender Weg zum Heil in Gott, während die anderen Religio-nen nur in gewisser Hinsicht („secundum quid“) Wege zum Heil in Gott sind, um nicht einschränkungslos als solche benannt werden zu dürfen. Und es sei nochmals gesagt: Selbstredend – um nicht das A und O in der Geschichte zu übersehen – ist das durch (volle) Kirchengliedschaft oder Bezug zur Kirche vermittelte Heil jenes Heil, das von Christus, dem einzigen Mittler schlichthin, kommt, seinem Tod und seiner Auferstehung entfließt. (Nebenbei: Was diese Simpliciter-/Secundum-quid-Terminologie angeht, verweise ich pauschal auf den heiligen Thomas.)


Analoges gilt für die Feststellung, die bzw. alle Religionen seien „wie verschiedene Sprachen, verschiedene Idiome, um dorthin [= zu Gott] zu gelangen“. Das muss ich nicht näher ausführen beziehungsweise kann auf die Erklärung „Dominus Iesus“ von 2000 verweisen. Ebenso kann ich für meine Zwecke darauf verzichten, die weiteren Sätze in der von mir mit vielen anderen beklagten Aussagenreihe näher unter die Lupe zu nehmen.

Eine problembewusste Artikulation des Glaubens der Kirche in Sachen „Heil exklusiv aus Christus und nicht an seiner Kirche vorbei“ kommt, wie auch ich überzeugt bin, am Zweiten Vatikanum nicht vorbei. Unbeschadet dessen erlaube ich mir den Hinweis auf den berühmten „Syllabus errorum“ Pius IX. von 1864: Nimmt man andere, näher erläuternde Verlautbarungen hinzu, geht daraus sinngemäß hervor, dass es schwerer Irrtum ist, die Existenzen in anderen Religionen und außerhalb der einen wahren Kirche Christi „simpliciter“ (im erläuterten Sinne) als Heilswege zu deklarieren: DS/DH 2916-2918 zusammen mit 2865-2867. Ich denke, es ist legitim darauf zu verweisen, ohne dass dies gleich ins Kirchenpolitisch-Tendenziöse gezogen wird.

Ich unterstelle, dass Papst Franziskus das, wie erläutert, „irgendwie richtig“ besagter skandalisierter Sätze als genau solches im Blick hatte, um einerseits darauf seinen (aus christlich-katholischem Blick) hoch riskanten Toleranz-Appell zu stützen und andererseits doch nicht förmlich mit der christlichen und katholischen Lehre zu brechen. Trotzdem bleibt die Frage: Warum formuliert er solche Sätze? Nebenbei erwähne ich noch, dass seine Ansprachen in der „Istiqlal“-Moschee (Jakarta, 05. 09.) es kaum minder in sich haben. Und schon Abu Dhabi sorgte für Diskussion und schwere Inkriminierungen an die Adresse des Papstes. Wenn ich denn Gehör finde, so erlaube ich mir, mit diesen Zeilen bei den maßgeblichen Dikasterien in Rom, allen voran dem für die Glaubenslehre, anzufragen, wie man die bei sehr vielen Ärgernis erregenden Ausführungen des amtierenden Heiligen Vaters verstehen und einordnen soll, nämlich in Sachen Vielfalt der Religionen versus letztgültiger und universaler Sendung Christi und seiner Kirche.  

Möchte mir noch einen Hinweis auf Benedikt XVI erlauben: Natürlich ist es in der heutigen Welt und globalisierten Menschheitsfamilie eine Herausforderung, den universalen Anspruch der Wahrheit Christi, gegenwärtig in seiner Kirche, konkret zu implementieren. Und so hat Papst Franziskus denn auch praktisch recht damit, dass es in keiner Weise dem Frieden dienlich ist und dem Heil der Seelen förderlich, mit der plumpen Assertion der Wahrheit der eigenen Religion (gegen die anderen) nur sich selbst behaupten zu wollen: „Das Christentum ist die Wahrheit und Mohammed ein Falschprophet.“ – dies so in die konfliktreiche Öffentlichkeit hineingetragen: wem ist damit gedient? Der Universalität der Wahrheit Christi und der Katholizität seiner Kirche entspricht nicht der Imperialismus der aggressiven Selbstbehauptung aus einer unter vielen Partikularitäten heraus. Aber dem trägt man nicht Rechnung, wenn man, wie es bei Papst Franziskus den starken Anschein hat, kapituliert durch das Pragma einer höflichen Einordnung als einen Weg unter vielen. Hier hilft ein Gedanke weiter, den seinerzeit Joseph Ratzinger vortrug in der FAZ, wie ich mich jedenfalls erinnere: Wie zumal in der Antike greifbar, ist das Christentum selbst Aufklärungsreligion. Es hat seinen Ursprung in der Inkarnation dessen, der die universal relevante, gleichwohl transzendente, absolute Vernunft ist, und zwar als das ewige Wort des ewigen Vaters, des göttlichen Logos eben. Dies ruft nach einem missionarischen Profil jenseits von imperialer Selbstbehauptung und pseudo-bescheidener relativierender Einordnung in die eine Gemeinde der vielen Wege. Nein, „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6).

 


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Lesermeinungen

 maran atha 19. September 2024 
 

Wenn der Papst solche Aussagen macht, um der Welt zu gefallen und andersgläubige nicht zu "verletzen oder zu erzürnen", dann spricht er leider von einer Kirche, aber ohne Gott Sohn. Er verleugnet damit das Haupt der katholischen Kirche, nämlich Christus.
"Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen. Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert und die Hausgenossen eines Menschen werden seine Feinde sein."


3
 
 Versusdeum 19. September 2024 
 

@Fink

Ach, wenn wir doch zumindest noch im Zeitalter der Vernunft leben würden, doch die Ratio hat ausgedient: Aggressive und immer absurdere Ideologien, wohin man auch schaut, die sich durch die heutigen technischen Möglichkeiten erstmals weltweit ausbreiten können und dies auch versuchen. So etwa stellt man sich den roten Teppich für den Antichristen vor.


2
 
 Stefan Fleischer 18. September 2024 

@ SalvatoreMio

Schon Paulus war klar:
«Und wenn die Trompete unklare Töne hervorbringt, wer wird dann zu den Waffen greifen?» (1.Kor 14,8)
Überhaupt, ich kann mir nicht vorstellen, dass Paulus nicht Petrus "entgegengetreten» wäre (vgl. Gal.2,11-12, hätte dieser formuliert wie uns Heiliger Vater heute.


4
 
 SalvatoreMio 18. September 2024 
 

Es kommt darauf an, wer etwas sagt!

Wenn die höchste irdische Instanz des Christentums auf Erden etwas sagt, hat das höchstes Gewicht: die einen orientieren sich daran, weil sie den rechten Weg suchen. Anderen wiederum gefällt eine halb-richtige Aussage, weil sie ihnen gut ins Konzept passt, und sie gehen damit auch hausieren, besonders im Bereich der Moral. - Darum ist es erforderlich, dass ein Papst sich präzise artikuliert und mit dem Glauben der Kirche konform geht.


5
 
 Uwe Lay 18. September 2024 
 

Der Primat der Politik bei Papst Franziskus !

Ich denke, daß man das Anliegen der Aussage des Papstes, alle Religionen führen zu dem einen Gott und sind so gleich wahr, mißversteht, wenn man nicht die Intention dieser Aussage versteht: Wenn das oberste Ziel das Projekt der Humanisierung der Welt ist, das einer neuen guten Weltordnung, wie muß dann das Verhältnis der Religionen zueinander bestimmt werden, damit sie gleichberechtigt an diesem Projekt mitwirken können mit allen Menschen guten Willens zusammen?Alle religiösen Differenzen sollen vergleichgültigt werden um dieses politischen Zieles willen.
Uwe Lay Pro Theol Blogspot


2
 
 kant3 18. September 2024 
 

Der Weg, die Wege und der Dialog ... was der Papst sagen wollte!

Daß unser Papst mit seiner Spontaneität leider nicht immer die hilfreichsten Formulierungen findet, ist – denke ich - inzwischen eine Binsenwahrheit. Aber es ist selten hiflreich, darauf mit Empörung oder mit langen theologischen Ausführungen zu reagieren.

Wahr ist: andere Religionen bieten den Menschen Wege zu Gott an, aber in Jesus Christus, seinem Sohn, unserem Herrn und Gott, hat Gott, der Vater, selber uns den Weg zu sich angeboten. Dem widerspricht auch Papst Franziskus mit seinen Aussagen selbstverständlich nicht. Und daß er den zweiten Teil weggelassen hat, scheint mir im Kontext des interreligiösen Dialogs absolut verständlich.

Abgesehen davon ist es doch wunderbar, daß wir einen Papst haben, dem es gelingt, Jugendliche zum interreligiösen Dialog und Aufbau einer gerechten Welt zu motivieren.

Viel mehr muß man dazu eigentlich nicht sagen.


1
 
 Zeitzeuge 18. September 2024 
 

Durch einen außerordentlichen Heilsweg können schuldlos Irrende

nicht wegen, sondern trotz ihrer falschen Religion
gerettet werden, aber nicht ohne implizite Hinordnung auf die kath. Kirche mit dem HERRN als Haupt
ohne den niemand gerettet werden kann.

Im Link ein Kommentar über die päpstlichen Äußerungen in Singapur, die er jetzt in einer Videobotschaft sinngemäß wiederholt hat......!

einsprueche.substack.com/p/papst-franziskus-im-tunnel-der-freundschaft


3
 
 golden 18. September 2024 
 

Schlauer als der weiseste König Israels, Salomo (1.Könige 11,1-13)

,brauchen wir nicht zu sein.1000 verschieden religiöse Frauen besassen sein Herz.Er förderte das Multireligiöse am Hofe.Der wahre,lebendige Gott aber fordert die Hingabe eines UNGETEILTEN Herzens.
Gott hat Geduld mit dem,der noch nicht glaubt.
Ignoranz oder Gleichgültigkeit fordert aber seinen ZORN heraus.Wir müssen jedeSekunde dankbar sein,die uns Gott noch für unsere Bekehrung/Busse am Leben lässt.


0
 
 ottokar 18. September 2024 
 

Keine neuen Aspekte, aber diese recht kompliziert formuliert.


1
 
 Fink 18. September 2024 
 

Vor 250 Jahren, im Zeitalter der Aufklärung, hat es angefangen.

Jeder Gymnasiast hat wohl "Nathan der Weise" von G.E.Lessing lesen müssen. Aussagen: "Man kann die Wahrheit nicht erkennen. Man kann die wahre Religion nicht erkennen." Damals begann es, die Selbstmitteilung Gottes in der Bibel in Frage zu stellen ("Bibelkritik"). Damals begann die "Verdunstung des Glaubens". Papst Franziskus und "seine" Kurie scheinen mir auf den Spuren der Aufklärer, der "Vernunft" zu wandeln.
Scheinbar haben wir jetzt die Talsohle der Aufklärung bzgl. des christlichen Glaubens erreicht.

de.wikipedia.org/wiki/Gotthold_Ephraim_Lessing


4
 

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