28. April 2025 in Kommentar
Eine Politikerin verbat sich eine zu politische Kirche und prompt war man kirchlicherseits verschnupft. Wie sich die Kirche deutlich besser in die Politik einmischen könnte - Der Montagskick von Peter Winnemöller
Linz (kath.net)
Früher, als die Welt noch in Ordnung war und „Unsere Demokratie“ noch kein besitzanzeigendes Fürwort brauchte, war die Kirche die lebendige Plakatwand der CDU. Man verstand sich. Umgekehrt muss man allerdings auch feststellen, dass die CDU viele Aspekte des Naturrechts, der christlichen Anthropologie und der katholischen Soziallehre in praktische Politik umzusetzen wusste. In der Kirche wie in den christdemokratischen Parteien war man sich darüber im Klaren, dass Realpolitik auch gewisser Abstriche vom Ideal bedurfte und trotzdem noch christdemokratisch sein konnte.
Seit gut zehn Jahren fremdelt die Kirche immer mehr mit der Christdemokratie. Es ist kaum übertrieben, wenn man feststellt, dass politische Äußerungen aus der Kirche einen zunehmenden Linksdrall entwickelt haben und gerne mal den grünen Anstrich wählen. Das gängige Klimanarrativ des menschengemachten Klimawandels samt der dominierenden monokausalen Kohlendioxidphobie ist im deutschen Katholizismus inzwischen integraler Bestandteil des Depositium fidei. Insofern sind politische Äußerungen der Kirche für alle Politiker rechts der Sozialdemokratie inzwischen zu einem echten Problem, um nicht zu sagen, zu einem Ärgernis geworden. Umso verständlicher, dass sich die Bundestagspräsidentin jüngst kritisch zu bestimmten politischen Positionierungen aus bischöflichen Kreisen äußerte. Umso interessanter war es, wer für die politisierten Bischöfe in die Bresche sprang. Im Gegensatz zur gerne und mehrfach veröffentlichten Meinung hat die Präsidentin des Deutschen Bundestages der Kirche nämlich gerade keinen Maulkorb verpassen wollen. Sicher, sie hat angemahnt, doch vielleicht den geistlichen Äußerungen den Vorrang zu geben. Doch wer wollte dem widersprechen?
Wer wissen möchte, wie sich ein Kirchenmann wirklich brillant politisch zu Wort melden kann, höre oder lese die Rede von Papst Benedikt XVI. vom 22. September 2011. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Das Alternativprogramm, welches uns deutsche Bischöfe derzeit bieten, ist dagegen eher zum Weglaufen. Keine Spur von Naturrecht oder katholischer Soziallehre. Wider alle Vernunft äußern sich deutsche Kirchenvertreter zu Tempo 130 auf deutschen Autobahnen. Diese Forderung entbehrt wirklich sowohl in Sachen Ökologie als auch in Fragen der Sicherheit jeglicher Evidenz. Wie man vorbei an Evidenz Politik macht, konnten die deutschen Diözesen im Rahmen der Coronamaßnahmen gut einüben. Man hat es damals offensichtlich gelernt und versucht es zu perfektionieren.
Es ist derzeit keine Frage, ob, sondern nur eine Frage, wann die umstrittene Brandmauer der CDU zur AfD hin fallen wird. Natürlich wird man nicht direkt in eine Koalition gehen. Es wird mit unabgesprochener Zusammenarbeit beginnen. Vielleicht die Duldung einer Minderheitsregierung oder vergleichbares. Angesichts der Tatsache, dass sich die AfD allen Halbierungsbemühungen von Christdemokraten zum Trotz glatt verdoppelt hat und sich die Christdemokratie gerade selbst halbiert, hat sich die Kirche in eine unhaltbare Situation manövriert. Sollte es zu einer wie auch immer gearteten Regierungsbeteiligung der AfD kommen, findet sich die Kirche plötzlich in der Rolle einer Opposition(spartei) wieder. Wäre die AfD tatsächlich die Nazipartei, als die interessierte Kreise sie verkaufen möchten, hätte die Kirche in der Tat damit einen heroischen Status. Die Kirche – namentlich die Bischöfe – täten gut daran in sich zu gehen und sich zu fragen, ob sie es nicht gemerkt und nicht verhindert haben, dass ein Viertel, im Osten sogar ein Drittel der deutschen Staatsbürger zu Nazis geworden sind. Das ist natürlich Unfug. Selbst der jeglicher AfD-Sympathie vollkommen unverdächtige Journalist Gabor Steingart stellte kürzlich nüchtern fest, die AfD-Wähler sehnen sich nach Helmut Kohl und nicht nach Adolf Hitler.
Wie kann die Wahrnehmung von Kirchenvertretern wie Georg Bätzing so aus dem Ruder laufen? Die Antwort ist recht simpel und damit extrem kompliziert. Einerseits ist die deutsche Christdemokratie unter die Räuber gefallen. Egal in welches Politikfeld man schaut, Wirtschaft, Arbeit, Familie, Medizin und nicht zuletzt in der Bioethik, findet man die CDU auf einem Kurs weg vom natürlichen Recht und der kirchlichen Sittenlehre. Unnötig zu bemerken, das die AfD definitiv nicht in die Lücke vorstößt, die die Christdemokratie hinterlässt. Dramatischerweise driftet zugleich die Kirche in Deutschland samt großen Teilen ihres akademisch-theologischen Unterbaus in Richtung links-grün und ebenfalls weg von der katholischen Lehre. Man reibt sich die Augen, aber in vielen Politikfeldern gibt sich die Kirche mehr als nur ein bisschen Mühe, die CDU weit links zu überholen.
Natürlich fühlt sich eine christdemokratische Bundestagspräsidentin dann unwohl in ihrer Haut, wenn die, die sie in Fragen der politischen Grundsätze beraten sollten, sie in tagespolitischen Fragen noch weit links der alten SED überholen. Erheitert reibt man sich die Augen, wie dann der Wolf mit dem frisch gerissenen Lamm im Maul den Fuchs einen Hühnerdieb schimpft. Auf Abwegen sind beide, die christdemokratische Politik ebenso wie die linksdriftende Kirche.
Am Ende kann man eigentlich einen Bischof, der sich keinen Maulkorb geben lassen will ebenso wenig tadeln, wie die Politikerin, die sich nicht in praktischer Tagespolitik belehren lassen will. Dazwischen steht der gewöhnliche Katholik, der als Christdemokrat alter Prägung nicht nur seine politische Heimat verloren hat und sondern auch mit ansehen muss, wie der eigene Bischof inhaltlich mit denen daddelt, vor denen jeder Landpfarrer vor 20 Jahren noch entschieden gewarnt hat. Kritik daran kommt auch aus berufenem Munde. Der Historiker Andreas Rödder sagte dazu der Bild: „Die Kirchen in Deutschland bilden nicht die Breite der Meinungen ihrer Gläubigen ab und treten zugleich mit einem moralischen Absolutheitsanspruch auf.“ Das führe, so der Wissenschaftler, auch dazu, dass sich viele immer mehr von den Kirchen abwenden. Im Kern kommt man nicht umhin festzustellen, dass eine Kirche, die wie eine NGO auftritt, massiv an Relevanz einbüßt, weil sie austauschbar wird.
Wenn es um Moral geht, dann hat sich die Kirche grundsätzlich zu äußern und nicht Klein-klein zu betreiben. Umgekehrt muss man feststellen, dass die Politik weder Kompetenz noch Befugnis hat, sich moralisch zu äußern. In der Politik geht es um nüchterne Sachentscheidungen. Betrachtet man die Gefahr, die mit den genannten Verschiebungen einhergeht, eine tagespolitisch positionierte NGO-Kirche und eine Politik, die als Moralanstalt daher kommt, dann haben wir einen der Kerne unserer gesellschaftlichen Probleme identifiziert. Die Lösung ist zwar nicht so einfach, wie es sich Julia Klöckner vorstellt, aber sie ist näher dran als es so manch einem Bischof lieb sein kann. Eine Renaissance von Vernunft, von Naturrecht und von katholischer Soziallehre im kirchlich politischen Diskurs wäre ein echter Gewinn für alle, auch für die, die nicht an Gott glauben.
Bild oben: Ein Mann der Kirche, dem Politiker immer gut und gerne zuhören konnten: Pater Oswald von Nell-Breuning hier mit Prof. Heiner Ludwig (links) und Karl Nothof, Vorsitzender der KAB. Foto: Haus am Maiberg/ Wikimedia/ CC-BY-SA-3.0
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