„Von meinem Papst erwarte ich mehr“

9. April 2025 in Buchtipp


„Hoffe“. Die jüngste Autobiografie von Papst Franziskus löst bei mir sowohl Zustimmung wie auch Fragen aus. Rezension von Petra Lorleberg


Linz (kath.net/pl) Am 1.7.2023 schreibt Papst Franziskus dem neuen Leiter der Glaubenskongregation in einem Brief, dass er von ihm „etwas ganz anderes erwarte“ als das, wie das Dikasterium bisher als seine Aufgabe verstand. Ein auffallender Satz – doch „etwas ganz anderes“ hatte auch ich erwartet, als ich das Buch „Hoffe“ aufschlug und zu lesen begann.

Wirklich bewegt war ich vom Schicksal der Familie Bergoglio, von dem schweren und gefährlichen Weg italienischer Auswanderer nach Argentinien – umso mehr bewegt, da ich noch die Schilderungen meiner Mutter im Ohr habe, wie sie als Kind die bereits sehr konkreten Auswanderungspläne nach Argentinien ihrer eigenen Familie erlebt hatte, die dann vom II. Weltkrieg zerschlagen wurden. Viel gelernt habe ich über das Leben der Christen in Argentinien. Beeindruckt bin ich von der Wärme, der Kreativität im menschlichen Umgang, die Jorge Bergoglio besonders den Ärmsten, den Ausgegrenzten entgegenbrachte und -bringt.

Keine Frage, er zeigt eine geniale Begabung der Empathie, der Aufmerksamkeit für Ausgegrenzte der Kommunikation in Gesten und Zeichen. Rührend seine Anhänglichkeit über Jahrzehnte hinweg zu den Einfachsten der Einfachen. Alles gut, sogar sehr gut soweit. Interessant sind auch seine soziologisch-politischen Gedanken dazu.

Wäre Jorge Bergoglio ein Priester in den Elendsvierteln von Buenos Aires, würde ich nun sagen: ‚Wie reich und vielfältig unterwegs ist doch unsere Kirche!‘, und ich würde sein Engagement kritiklos bewundern.

Von meinem Papst erwarte ich allerdings mehr. Bei seiner Priesterweihe sei er blockiert gewesen, so schreibt er. Allzu viel mehr darüber, was die Eucharistie, die Feier der Hl. Messe in seinem Leben bedeutet, erfahre ich nicht. Und Hand auf’s Herz, die Blockade mag geschwunden sein, eine gewisse liturgische Trockenheit ist geblieben. Und wäre da nicht seine Zuwendung und Liebe zur Gottesmutter, könnte das Buch auch die Biographie eines engagierten Sozialarbeiters sein, bereichert mit wirklich schönen literarischen Formulierungen seine Mitautors Carlo Musso.

„Hoffe“: Worauf darf ich hoffen? Habe ich wirklich eine Antwort erhalten oder bin ich nur angefüllt und aufgeladen mit all den authentischen Nöten und Schwierigkeiten in Welt und Kirche, gemildert durch caritatives und politisches Engagement und angereichert mit der Innerlichkeit eines sozial engagierten Menschen? Zum Humanismus – insbesondere zum Lebensrecht vom Moment der Empfängnis bis zum allerletzten Atemzug findet Franziskus klare Worte, wofür ich ihm zutiefst dankbar bin. Doch für manche christliche Gemeinschaften, die sich dafür und für anderes einsetzen, findet er ebenfalls klare Worte, bei denen ich ihm nicht immer folgen kann und mag…

„Hoffe“: Was ist das Proprium, das, was christliche Hoffnung über bloßes politisches Engagement hinaushebt?

Beim Schließen des Buches habe ich durchaus Sympathien für den Lebenskampf dieses Mannes, den – wie er schreibt – ein Leben lang auch Melancholien begleitet haben – und das ist nicht nichts. Ich schätze sein Ringen um Einfachheit und Armut, im Wissen, dass wir ein solches Ideal in unserer Zeit nur anfangshaft erreichen können, doch auch hier gilt: schon der ernsthafte Versuch ist ehrenwert. Als Mensch kommt mir Papst Franziskus näher. Doch als Papst entfernt er sich. Er habe alle Titel beiseite geschoben („… weg damit“), schildert er, und nenne sich zuerst mal Bischof von Rom. Schön für die Römer. Was bleibt für uns in der Weltkirche? Ich hatte anderes erwartet ….

Ja, von meinem Papst erwarte ich mehr. Natürlich war Papst Benedikt, Joseph Ratzinger, ein durch und durch anderer Mensch. Aber voller Hoffnung habe ich Bücher von ihm geschlossen, neu ausgerichtet und wieder in ruhiger Fahrt hin auf meine wichtigsten Orientierungspunkte unterwegs. Am Ende seines Buches schreibt nun Franziskus: „Unruhig und voller Freude, so müssen wir Christen sein!“

Mir selbst bleibt bei Franziskus eher nur die Unruhe, die Melancholie. Franziskus würde das mit einem Zitat von Julien Green begrüßen: „Solange ich unruhig bin, kann ich beruhigt sein!“ Nun: ich halte es mit Augustinus: „Unruhig ist unser Herz bis es ruht in dir…!“

Die Infos zum Buch:
Hoffe. Die Autobiografie - SPIEGEL-Bestseller | Franziskus
Hardcover, 384 Seiten; Mit zahlreichen bislang unveröffentlichten Fotos aus Papst Franziskus´ Privatbestand
2025 Kösel
ISBN: 978-3-466-37353-6
Preis Österreich: 24,70


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