Spanien: Priester wurden bei Hochwasser zu Lebensrettern

7. November 2024 in Aktuelles


Augenzeugen-Berichte von Kirchenmitarbeitern dokumentieren Verzweiflung während der Katastrophe und enorme Solidarität in der Bevölkerung


Madrid (kath.net/KAP) Gut eine Woche nach dem Höhepunkt der Hochwasser-Katastrophe an der Ostküste Spaniens wird nicht nur das Ausmaß der Zerstörung allmählich sichtbar: Plattformen wie das von der Kirche betriebene Portal "cope.es" geben mit Kurzvideos und Augenzeugen-Berichten aus Pfarrgemeinden auch sehr persönliche Einblicke in den Verlauf der Tragödie, die mehr als 200 Menschenleben gekostet und zu massiven Sachschäden geführt hat. In mehreren Fällen wurden dabei Priester zu Lebensrettern.

So konnte etwa der Pfarrer von San Ramon in Paiporta, Salvador Romero, während des Unwetters sechs Menschen, darunter eine 96-jährige Frau, vor den heranstürzenden Wassermassen retten, indem er die Kirchentore öffnete. Nach dem Hochwasser sei sein Pfarrbüro völlig zerstört gewesen, sei doch das Wasser mehrere Meter bis auf Fensterhöhe gestiegen. Ein für die Messe vorbereitetes Kelchtuch sei inmitten des Schlamms unversehrt an seinem Platz geblieben, zeigte sich ein erschütterter Helfer, der ein Video davon erstellte, erstaunt.

In einer anderen Kirche von Paiporta, San Jorge, zeigte Pfarrer Gustavo Riveiro eine Statue von Christus, dessen Gesicht mit Schlamm bedeckt war, was an die vielen Toten und Vermissten erinnerte (siehe Foto oben).

Im Rettungseinsatz war auch Pfarrer Ignacio Requena aus Letur in der Region Albacete, der vor seinem Pfarrhaus einen Wasserschwall mit darin treibenden Autos und Trümmern beobachtete und bemerkte, dass viele Dorfbewohner in ihren Häusern eingeschlossen waren, da das schnell ansteigende Wasser durch die Fenster strömte. Er rief den Notdienst und versuchte, durch die hüfthohen Fluten zum Nachbarhaus zu waten, um eine Person zu retten. Diese befand sich jedoch bereits in Sicherheit, wurde später klar. Im Dorf kämpfe man nun mit der Verzweiflung, mit der Trauer über sechs Vermisste und mit dem Wiederaufbau, berichtete der Priester.

Flut kam bei Messe

In der Ortschaft Alfafar wurde Pfarrer Salvador Aguado am 29. Oktober während einer Messfeier mit rund 100 Gemeindemitgliedern von den Wassermassen überrascht, die schnell angestiegen seien. Er öffnete damals trotz wachsender Panik und schwimmender Autos draußen die Kirchentüren und bot somit 70 weiteren Menschen Schutz.

Am nächsten Tag sei die Kirche komplett verwüstet gewesen, nur eine Jesus-Statue vom "Christus der Schutzlosen" und der Hauptaltar seien verschont geblieben, berichtete der Priester. Seine größte Sorge habe jedoch dem Tabernakel mit den geweihten Hostien gegolten, auf die er im Tumult vergessen habe. Der Inhalt sei durch das Hochwasser zerstört worden, was in ihm anfangs ein Gefühl des Versagens ausgelöst habe. Sein Psychologe habe ihn damit getröstet, dass das Allerheiligste "geblieben sei, um sich zu ertränken und die Leben der 100 Menschen zu retten", so Aguado.

Selbstlose Hilfe

Von Szenen von Menschen, die durch die Katastrophe alles verloren haben, sich aber trotzdem mit bemerkenswerter Lebensfreude und Hilfsbereitschaft für andere einsetzten, berichtete der Priester Sergio Pelarda. Jugendliche hätten sich ohne Zögern zum Hilfseinsatz gemeldet und eine Frau in der besonders betroffenen Ortschaft Algemesi habe ihn gebeten, ihren Nachbarn zu helfen, bevor sie sich selbst um ihre eigenen Bedürfnisse gekümmert habe - für den Geistlichen Beispiele von "Evangelium in Aktion". Inmitten der Tragödie komme viel Gutes zum Vorschein und Momente der Solidarität, die Hoffnung gäben.

Dass emotionale Unterstützung für die Betroffenen genauso wichtig sie wie physische Hilfe, erfuhr Pfarrer Eliert Jerez aus Villaviciosa de Odon in der Diözese Getafe, der mit einer Gruppe von 35 Jugendlichen zur Unterstützung der Reinigungs- und Hilfsarbeiten in die Katastrophenregion gereist war. Vorab hatten die Helfer Material gesammelt, das dann in zerstörte Städte wie Chiva, Catarroja und Algemesí gebracht wurde. Beim Schaufeln von Schlamm habe die Gruppe viele Tränen der Menschen gesehen, und viele Betroffene hätten beim Gebet in der Kirche Trost gesucht.

Bischof spricht Mut zu

Berichte finden sich auch vom Besuch des Erzbischofs von Valencia, Enrique Benavent, in den besonders betroffenen Gemeinden Paiporta, Aldaia, Picanya und Castellar. Der Erzbischof sprach den Opfern Mut zu, betonte die Einheit und Zusammenarbeit in der Hilfe für die am meisten Bedürftigen und würdigte das Engagement junger Freiwilliger sowie auch der Priester, Ordensleute und Laien.

Zahlreiche Kirchenräume in den betroffenen Gemeinden seien nun Verteilzentren für Lebensmittel und andere notwendige Güter, wie etwa in den Ortschaften La Torre und Catarroja, hieß es. Zusätzlich wurden Unterkünfte für Rettungskräfte bereitgestellt, etwa im Colegio Imperial de Ninos Huerfanos in Benageber, wo Feuerwehrleute unterkamen, während in der Nothilfe tätigen militärische Einheiten im Priesterseminar in Moncada Quartier bezogen.

Geistiger Beistand

Geistiger Beistand kam am Mittwoch nicht nur von Papst Franziskus, der bei seiner Generalaudienz auf dem Petersplatz in Rom vor der Madonnen-Statue aus Valencia, der "Jungfrau der Hilflosen", betete: Spaniens Bischöfe gaben zeitgleich bekannt, dass sie während ihrer baldigen Vollversammlung am 19. November in der Madrider Almudena-Kathedrale einen Gottesdienst für die Flutopfer feiern werden. Zudem kündigten sie für das Christkönigsfest (24. November) bei allen Eucharistiefeiern des Landes eine Sonderkollekte an.

Der Bischofskonferenz-Vorsitzende Erzbischof Luis Argüello rief bei einer Pressekonferenz am Mittwoch die enormen wirtschaftlichen Bedürfnisse des Wiederaufbaus nach den massiven Zerstörungen in Valencia, aber auch in anderen Landesteilen wie Albacete, Cuenca, Katalonien und Andalusien, ins Bewusstsein. Es sei notwendig, hier mitzuhelfen.

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