23. August 2024 in Chronik
‚Ich halte die derzeitige Form von politischer Positionierung für fragwürdig’, sagt der Markensoziologe Oliver Errichiello.
Berlin (kath.net/jg)
Unternehmen und Marken werden heute oft nach bestimmten weltanschaulichen Gesichtspunkten positioniert. Marketingexperten warnen, dass diese Strategie dem Absatz nicht immer hilft, schreibt die WELT in einem Artikel mit dem Titel „Grün, queer und mehr Erfolg? Der große Moral-Irrtum vieler Firmen“.
Prominentes Beispiel ist die Biermarke Bud Light. Der Konzern lancierte eine Werbekampagne mit einer Trans-Frau, die auf wenig Gegenliebe stieß. Die Biermarke verlor die Marktführerschaft in den USA.
Nicht nur die Ablehnung bestimmter Bevölkerungsgruppen könne zum Problem werden. Die Gleichförmigkeit der weltanschaulichen Botschaften wecke zunehmend Widerstand, stellt der Markensoziologe Oliver Errichiello fest. Wörtlich sagt er: „Ich halte die derzeitige Form von politischer Positionierung für fragwürdig.“
Viele Unternehmen hätten Angst, aktuelle Themen wie Nachhaltigkeit und Diversität zu verpassen. Das führe aber dazu, dass sie sich ähnlich positionieren. Ein „corporate purpose“, also ein sinnstiftender Zweck über das Geldverdienen hinaus, sei kein Alleinstellungsmerkmal mehr, wenn ihn alle gleich formulierten, sagt Errichiello. Andere Positionen wie konservative Familienwerte oder religiöse Überzeugungen kämen – anders als Lastenfahrräder und Windräder – in Werbebotschaften hingegen kaum mehr vor.
Die propagierten Haltungen würden von Menschen aus urbanen Blasen definiert. „Womöglich sieht das die Mehrheit der Menschen ganz anders“, sagt Errichiello. Die ethische Verantwortung von Unternehmen liege im täglichen verantwortungsbewussten Wirtschaften, nicht in der Darstellung nach außen, betont er. Botschaften, die nicht wirklich im Markenkern verankert seien, hätten ohnehin keine langfristige Wirkung, warnt Errichiello. Wörtlich sagt er: „Wie wichtig muss sich ein Unternehmen nehmen, dass es glaubt, die Leute würden am Supermarktregal über seine Haltung nachdenken?“
Der Wirtschaftspsychologe Stephan Gründwald, Gründer des Marktforschungsinstitutes Rheingold, sieht die politische Positionierung ebenfalls kritisch. „Unternehmen und Marken geraten durch die gesellschaftliche Polarisierung ins Kreuzfeuer, nachdem sie sich zuvor selbst ideell aufgeladen haben“, sagt er. Die Kunden hätten ganz andere Erwartungen, sie sehnen sich nach Unbeschwertheit, stellt er fest.
Probleme gebe es insbesondere dann, wenn die Marke und das Engagement nicht zusammenpassen. Das sei bei Bud Light geschehen. Die Biersorte sei bei Familienvätern im mehrheitlich ländlich geprägten Mittleren Westen beliebt gewesen. Das sei die denkbar schlechteste Zielgruppe für Werbung mit Transsexuellen.
Laut Oliver Errichiello ist das politisch-weltanschauliche Engagement schon wieder im Abklingen. Die Marketing- und Personalabteilungen der Unternehmen hätten festgestellt, dass sie sich nicht von der Konkurrenz unterscheiden. „Irgendwann verschwinden die Regenbogen daher wieder“, sagte er wörtlich. Er sieht bereits den nächsten Trend am Horizont: Die Rückkehr des Humors.
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