Ein Postulat für Theologie

10. Juni 2024 in Kommentar


Die Glaubenskommission der deutschen Bischöfe spricht sich für Theologie an staatlichen Universitäten aus. Das mag gut sein, es ist aber zu wenig. Der Montagskick von Peter Winnemöller


Bonn (kath.net)

Die Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) hat sich in der vergangenen Woche für einen Verbleib der Theologie an den staatlichen Universitäten ausgesprochen. In dieser Stellungnahme werde einer Pressemeldung der DBK zufolge die Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass es sowohl für die heutige Wissensgesellschaft als auch für die Kirche selbst einen großen Gewinn darstelle, wenn Theologie sich im Diskurs an der Universität bewähre.

An den Universitäten ist die Theologie nicht unumstritten und auch innerhalb der Kirche stellt sich die Frage, ob die Theologie als Wissenschaft unter dem Dach der Kirche nicht besser aufgehoben wäre. Immerhin muss bei jeder Berufung auf einen Lehrstuhl der zuständige Bischof, bei Erstberufung auch die römische Kurie, ein Nihil obstat erteilen. Das hat seinen guten Grund darin, dass es nicht nur um reine Forschung, sondern auch um Lehre geht. Der Theologe auch an einer staatlichen Universität lehrt im Auftrag der Kirche und ganz konkret im Auftrag seines Bischofs. Jeder Bischof kann einem in seiner Diözese lehrenden Professor oder Dozenten die Erlaubnis Theologie zu lehren entziehen. Dass es keine kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit gibt, die hier vor Willkür schützt, wird oft genug zu Recht beklagt. Andererseits bilden die Hochschullehrer an den Universitäten Priester, Religionslehrer und pastorales Laienpersonal der Kirche aus. Ein Wildwuchs in der Lehre ist hier – bei allem Respekt vor einer angemessenen Freiheit der Lehre – nicht akzeptabel. Wo im Wissenschaftsbetrieb der Katechismus als Störelement empfunden wird, wird einfach nicht im Auftrag der Kirche gelehrt. Die reale Akzeptanz ist hier weitaus höher als es für die Kirche gesund wäre.

Auch die Hochschulen sehen die Theologie nicht alle so gerne unter ihrem Dach. Staatskirchenrechtliche Verträge sichern die Existenz der katholisch-theologischen Fakultäten an den staatlichen Universitäten. Der Grund ist historisch. Eine Folge des preußischen Kulturkampfes ist die Pflicht zur akademischen Ausbildung der Kleriker. Im Gegenzug musste der Staat die Kröte schlucken, die Fakultäten zu bezahlen. Ein massiver Rückgang bei den Priesterzahlen macht rein rechnerisch fast alle theologischen Fakultäten überflüssig. Für die Ausbildung von Lehrern reichen Institute vollkommen aus. Tatsächlich kann der Staat eine theologische Fakultät schließen, wenn dort keine Priester mehr ausgebildet werden. Dies ist an der Universität in Bochum der Fall. Dort hat man einen Präzedenzfall geschaffen, der die Existenz der Fakultät ohne Priesterausbildung sichert.

Bestrebungen der Deutschen Bischofskonferenz die Priesterausbildung an Schwerpunktstandorten zu zentralisieren, sind offensichtlich vorläufig auf Eis gelegt. Auch dies kommt den im Grunde darbenden Fakultäten zugute. Denn auch der Rückgang der Studentenzahlen macht den Fakultäten das Leben schwer. An einigen Universitäten, wie zum Beispiel in Münster sichert das Einbinden der Theologie in sogenannte Exzellenz-Cluster die Existenz der Lehrstühle, die rein rechnerisch niemand mehr bräuchte, ginge es nur um die Ausbildung von Priestern.

Bleibt noch der Aspekt der Forschung. Hier gäbe es einiges zu tun, denn die Kirche und der Glaube stehen in einer nunmehr vollkommen säkularisierten Gesellschaft unter einem erhöhten Rechtfertigungszwang. In der real existierenden Forschung leben wir allerdings in zahlreichen Einbahnstraßen. Das Postulat, die Kirche müsse von den Fortschritten der Humanwissenschaften lernen, dominiert zurzeit in einer recht beängstigend unvernünftigen Weise. Die Kirche kann und muss dort von jeglicher säkularen Wissenschaft lernen, wo die Erkenntnisse der modernen Wissenschaften den gesicherten Offenbarungen aus Schrift und Tradition nicht widersprechen. Wo aber plötzlich – angeblich wissenschaftlich gesichert – 75 neue Geschlechter auftauchen, hat die Theologie die Pflicht aus Gründen der Vernunft zu widersprechen und nicht die Bestrebung zu zeigen, die Genderideologie zu taufen. Gender stehe hier einmal Pars pro toto, es gäbe noch zahlreiche Beispiele, wo die Theologie die Kirche massiv unterstützen könnte, ihre Stimme hörbar in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen. Sehr zu Recht verweist die Erklärung der Glaubenskommission der DBK in Nr. 6 auf Gaudium et spes Nr. 36 „Wenn wir unter Autonomie der irdischen Wirklichkeiten verstehen, dass die geschaffenen Dinge und auch die Gesellschaften ihre eigenen Gesetze und Werte haben, die der Mensch schrittweise erkennen, gebrauchen und gestalten muss, dann ist es durchaus berechtigt, diese Autonomie zu fordern. Das ist nicht nur eine Forderung der Menschen unserer Zeit, sondern entspricht auch dem Willen des Schöpfers. Durch ihr Geschaffensein selber nämlich haben alle Einzelwirklichkeiten ihren festen Eigenstand, ihre eigene Wahrheit, ihre eigene Gutheit sowie ihre Eigengesetzlichkeit und ihre eigenen Ordnungen, die der Mensch unter Anerkennung der den einzelnen Wissenschaften und Techniken eigenen Methode achten muss. Vorausgesetzt, dass die methodische Forschung in allen Wissensbereichen in einer wirklich wissenschaftlichen Weise und gemäß den Normen der Sittlichkeit vorgeht, wird sie niemals in einen echten Konflikt mit dem Glauben kommen, weil die Wirklichkeiten des profanen Bereichs und die des Glaubens in demselben Gott ihren Ursprung haben. Ja wer bescheiden und ausdauernd die Geheimnisse der Wirklichkeit zu erforschen versucht, wird, auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist, von dem Gott an der Hand geführt, der alle Wirklichkeit trägt und sie in sein Eigensein einsetzt.“ Wer das ernst nimmt, kommt nicht umhin gegen eine wider alle Sittlichkeit dominierende wirklichkeitswidrige Ideologisierung einiger Teile der säkularen Wissenschaften entschieden zu protestieren.

Fakultäten sind nicht alles, es gibt auch andere wissenschaftlich arbeitende Einrichtungen, die hilfreiche Erkenntnisse liefern können, aber zeitgeistkonform einfach abgewickelt werden. In dem Zusammenhang sei die KSZ genannt, die zum Ende diesen Jahres einfach abgewickelt wird. Dass dies in einer Zeit geschieht, in der es der Stimme der katholischen Soziallehre dringend bedürfte, ist mehr als nur ein Ärgernis.

Katholische Theologie, nicht nur in ihrer Gestalt als akademische Theologie an staatlichen Hochschulen kann einen entscheidenden Beitrag für eine gute und gesunde gesellschaftliche Entwicklung leisten. Wenn die jetzt laufende Legislaturperiode im Deutschen Bundestag endet, wird Deutschland vor einem wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, (bio-)ethischen und politischen Bankrott stehen. Nur mit sehr viel Glück (und Gnade) könnte es gelingen, dass unser Land nicht zwischen extremen oder extremistischen Kräften von rechts und links zerrieben wird. Leider ist eine Kirche, die sich einem unreflektierten, auf dem linken Auge blinden „Kampf gegen Rechts“ anschließt, kein wirklicher Helfer. Auch hier kann eine gesunde katholische Soziallehre, die auf die Wurzeln von „Rerum novarum“ und die daraus hervorgegangene Blüte „Centesimus Annus“ (CA) zurückgreift, eine zerstörte, in der Wurzel erkrankte Gesellschaft heilen. Eine starke Bischöfliche Stimme wäre die Stimme, die gegen einseitige Verteufelungen und für einen gesellschaftlichen Aufbruch nach den Prinzipien Personalität, Subsidiarität und Solidarität aufriefe. Man lauscht leider zu oft vergebens.

Am Ende ihrer wirklich lesenswerten Erklärung schreiben die Bischöfe in Nr. 9 der Erklärung: „Aber auch die Kirche erfährt eine Bereicherung durch eine sich im universitären Diskurs bewährende Theologie, die sich schwer ersetzen ließe …“. Egal, ob es sich bei dieser Formulierung um Idealismus, Diplomatie oder Träumerei handelt, es ändert nichts an der Tatsache, dass dies falsch ist. Leider verbleibt die universitäre Theologie in Deutschland in einer in sich verkapselten Blase. Theologen schreiben Bücher, die Theologen lesen und in Büchern zitieren, die wiederrum nur von Theologen gelesen werden. Hand aufs Herz, was war das letzte Buch von einem deutschen Theologen, das weltweit und über die Kirche hinaus rezipiert und diskutiert wurde. Ehrlicherweise war das wohl die Jesus-Trilogie von Josef Ratzinger/ Papst Benedikt XVI.

Der Erklärung der Glaubenskongregation fehlt eindeutig ein Postulat an die Theologie als wissenschaftliche Theologie wirklich die Grenzen des rein akademischen Diskurses zu sprengen. Eine katholische Intelligenzija im bürgerlichen Spektrum der Laien täte sowohl der Kirche als auch der Gesellschaft gut. Hier gäbe es einiges zu tun.

Was die unbedingte Forderung der Theologie an staatlichen Universitäten betrifft, kann man sowohl dafür als auch dagegen sein. Für beides gibt es gute Argumente. Die unmittelbare Teilnahme am wissenschaftlichen Diskurs über die Fächergrenzen ist ein nicht gering zu schätzendes Argument. Im Umkehrschluss könnte ein innerhalb des geschützten Raumes der Kirche gereifter Theologe eine weitaus größere wissenschaftliche Satisfaktionsfähigkeit erreichen, wenn er nicht an staatlichen Töpfen oder einzutreibenden Drittmitteln hängt. Auflösen lässt sich das Dilemma Theologie an staatlichen Universitäten sicher nicht. Eines aber sollte unbedingt bedacht sein. Die noch existierenden kirchlichen Theologischen Fakultäten (zum Beispiel Paderborn und Fulda) könnte man tatsächlich durch qualifizierte Institute (s. Adam-Möhler-Institut) stärken zu einem wirklichen Pfund in der Theologenwelt ausbauen.

Und wenn mal einer einen Lehrstuhl für Mission und Neuevangelisierung einrichten würde, könnte man glatt Beifall klatschen. Denn dass noch niemand weiß, wie eine Wiederausbreitung des Glaubens in einst christlichen Ländern funktionieren soll, ist nichts anderes als der Schrei nach wissenschaftlicher Durchdringung.

Fazit: Wir brauchen in der Tat nicht weniger Theologie sondern mehr. Es muss nicht alles akademische Theologie sein, auch andere kirchliche Institute sind nötig. Ob akademische  Theologie staatlich finanziert sein muss oder unter dem Dach der Kirche sein darf, darüber kann man streiten.

Bild oben: Fakultätsgebäude der katholischen Theologischen Fakultät in Münster in der Johannisstraße. Foto: Jorge Franganillo – Münster / Wikimedia / CC-BY-2.0

Weitere Informationen: Stellungnahme der Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz - Theologie in der Gesellschaft. Für die Zukunft Katholisch-Theologischer Fakultäten an staatlichen Universitäten


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