„Eine Transfrau ist eine Frau. Punkt!“ – Wirklich?

15. Mai 2024 in Kommentar


Gedanken über einen Anspruch auf Absolutheit, der doch nur relativ ist. Von Lothar Christian Rilinger


Berlin (kath.net) Nun hat die Bundesregierung es geschafft, ihr Selbstbestimmungsgesetz im Bundestag durchzubringen. Da es kein zustimmungspflichtiges Gesetz ist, wird es deshalb auch á la longue den Bundesrat passieren. Nach Verkündigung im Bundesanzeiger kann die Opposition aktiv werden und beim Bundesverfassungsgericht ein Normenkontrollverfahren beantragen, um die Verfassungsgemäßheit des Gesetzes überprüfen zu lassen. Dass es erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt ist, dürfte auch dem juristisch unerfahrenen Zeitgenossen einsichtig sein, schließlich verstößt es evident gegen Grund- und Menschenrechte der Frauen, ja, der Eltern und der Kinder. Diesem Gesetz ist die Verfassungswidrigkeit auf die Stirn geschrieben.

Noch hält die Verfassung die Elternrechte hoch und hat den Eltern das Recht, aber auch die Verpflichtung übertragen, die Erziehung ihrer Kinder hauptverantwortlich vorzunehmen. Die Eltern müssen – zumindest – bis zur Volljährigkeit der Kinder diesem Elternauftrag nachkommen. Dieser Auftrag schließt nicht nur die Alimentation ein, sondern auch die Sorge um das Wohl und der Erziehung ihrer Kinder. Nur wenn die Eltern hierzu nicht in der Lage sind, kann durch eine gerichtliche Entscheidung dieses Recht entzogen und auf den Staat, der es wiederum delegieren kann, übertragen werden. Dieses Recht beschränkt sich nicht darauf, Tagesfragen zu beantworten, sondern vor allem die langfristigen Prozesse wie Schul- oder Berufsausbildung sowie Vermittlung von Werten zu bestimmen. Was dann das Kind nach dem 18. Lebensjahr machen möchte, kann es, wenn es möchte, selbst entscheiden. Das Selbstbestimmungsgesetz hebelt diese verfassungsrechtliche Verpflichtung aus und überträgt dem noch minderjährigen Kind eine rechtliche Entscheidungskompetenz, die dessen Leben von Grund auf irreversibel verändern wird. Fühlt sich das minderjährige Kind im „falschen Körper“, soll es sich gegen den Willen der Eltern durch chirurgische Eingriffe und durch Hormonbehandlungen in seinem Geschlecht verändern dürfen – und zwar in einem Alter, in dem es entwicklungsbedingt noch nicht die volle Tragweite dieser unwiderruflichen Entscheidung erfassen kann. Übrigens: Ein Arzt darf keine Arme oder Beine ohne medizinische Indikation amputieren, selbst wenn es der Patient einfordert, um sich wohler zu fühlen. Der Staat hat die Verpflichtung, das Wohl seiner Kinder zu beachten. Noch haben die Eltern das Recht, ein Kind davon abzuhalten, sich tätowieren zu lassen. Ihre Geschlechtsteile entfernen zu lassen, was einen erheblich tieferen Eingriff bedeutet und der im Gegensatz zu Tattoos nicht reversibel ist, soll dem Kind aber auch gegen den Willen der Eltern erlaubt sein. Und: Das Selbstbestimmungsgesetz wird zum Fremdbestimmungsgesetz, wenn die Eltern nach der Geburt ihres Kindes bestimmen, welches Geschlecht es haben soll.

Darüber hinaus werden die Rechte der Frauen, die in den letzten Jahrzehnten mühsam erkämpft worden sind, missachtet. Transfrauen im Sport, um ein Beispiel zu nehmen, haben gegenüber der überwiegenden Mehrheit der Frauen einen Vorteil an Muskelkraft, der ihnen größere Chancen für den Sieg in einer Frauenkonkurrenz einräumen. Schon jetzt geben viele Mädchen und Frauen ihren Sport auf, da sie gegen die Transfrauen grundsätzlich unterlegen sind. Dass es auch Frauen gibt, die stärker als Männer sind, ist eine Ausnahme. Die Konkurrenz von Frauen und Transfrauen findet deshalb nicht unter Gleichen statt. Das Ende des Frauensports nähert sich seinem Ende, obwohl viele Frauen großes Interesse an sportlichen Wettkämpfen haben – allerdings nur unter fairen Bedingungen, die die Chancengleichheit garantieren.

Ob es für Frauen angenehm ist, nach dem Sport zusammen mit Transfrauen, die wie Männer mit ihren Geschlechtsteilen aussehen, zu duschen, kann man sich nicht vorstellen. Was dann passieren kann, ist hingegen leicht vorhersehbar. In englischen Frauenhaftanstalten werden sogar Verhütungsmittel für Transfrauen ausgegeben, um Schwangerschaften zu vermeiden.

Der Staat und die Gesellschaft unterhalten auf der einen Seite Frauenhäuser, um Frauen vor der Gewalt von Männern zu schützen, aber auf der anderen Seite eröffnen sie jetzt für Transfrauen die Möglichkeit, sich Frauen in unsittlicher Weise legal nähern zu können. Getrennte sanitäre Räume wurden ja gerade deswegen eingerichtet, damit Frauen über geschützte Räume verfügen können.

Da jeder Mann, ohne eingehende Überprüfung, vortragen kann, er sei eine Frau, kann auch nicht nachgeprüft werden, ob er alles unternimmt, um tatsächlich sein Geschlecht zu ändern oder ob er es nicht nur aus einer momentanen Laune heraus vorträgt. Unvergessen ist die spontane Erklärung eines grünen Kandidaten, dass er sich als Frau empfinde, um einen Quotenplatz für Frauen bei der Aufstellung der Liste für die Wahl zu ergattern.

„Eine Transfrau ist eine Frau. Punkt!“ – Worte der Familienministerin Paus in der Bundespressekonferenz. Mit dem Anspruch auf Absolutheit hat sie Transfrauen mit Frauen gleichgesetzt. Frauen, die aussehen wie Männer, sind in ihren Augen Frauen. Da soll es nichts zu zweifeln geben. Das Geschlecht soll sich schließlich nach dem Geist richten, nicht nach dem Körper. Das ist die Ideologie des Transhumanismus, der nur den Dualismus von Geist und Körper kennt. Der Körper wird nur als Rechtsobjekt, als Sache, gesehen, nur der Geist hat die Qualität eines Rechtssubjektes, nur er kann Träger von Rechten sein. Evident zeigt sich diese Einstellung im Abtreibungsrecht, da ungeborene Menschen als „Zellhaufen“, ja, „parasitäre Zellhaufen“ oder als „Schwangerschaftsgewebe“ bezeichnet werden, was nur verschämt camouflieren soll, dass ungeborene Menschen als Sache angesehen werden. Ja, Transfrauen sollen immer Frauen sein. Doch wirklich immer? Im Selbstbestimmungsgesetz ist aufgeführt worden, dass diese Absolutheit nicht im Kriegsfalle gilt. Dann werden Transfrauen wieder als Männer angesehen, die kämpfen müssen. Der ideologische Kampf findet, wenn es ernst wird, seine Grenzen und entpuppt seinen Absolutheitsanspruch als Absurdität. Von Stringenz in der Argumentation kann keine Rede sein, aber das ist bei einer rein ideologisch motivierten Forderung auch nicht zu erwarten, schließlich muss der Zweck die Mittel heiligen. Was bleibt also von der Forderung: „Eine Transfrau ist eine Frau. Punkt!“ – nichts …

kath.net-Buchtipp
Lothar C. Rilinger: Deutschsprachige Theologen in Rom
Eine Begegnung mit ihren Gedanken
Taschenbuch, 310 Seiten
2021 Mainz Verlagshaus Aachen; Patrimonium
ISBN: 978-3-86417-169-7
Preis Österreich: 17.30 Euro

Lothar Rilinger (siehe Link) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht i.R. und stellvertretendes Mitglied des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes a.D.


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