16. Februar 2024 in Kommentar
Warum ein Fasten in klitzekleinen Schritten uns weit bringen kann. Erkenntnisse aus einem familiären digitalen Detox. Benedicta von Petra Knapp.
Wien (kath.net) Da saßen wir nun. Hinter uns meterhohe Tannen, die der Sturm Tag und Nacht hin- und her peitschte, und die sich auftürmten wie meterhohe Wellen in einem tosenden Meer. Vor uns ein sonnendurchflutetes Tal, wo die Wiesen mitten im Winter schon zaghaft erwacht waren. Wir waren kurz mal weg, ein paar Tage abgetaucht in eine kleine Pension ganz im Norden Österreichs. Die Handys blieben zuhause oder komplett abgeschaltet, ebenso die Laptops. Die Fernbedienungen der Fernseher gaben wir bei der Rezeption ab.
‚Digital Detox‘ lautete mein ehrgeiziges Projekt, das ich mir vorgenommen hatte für unsere Familie. Ich bin gescheitert und gleichzeitig auch nicht. Vierzehn Tage, so mein Plan, weitgehend ohne digitalen Medien verbringen, das ist eine sinnvolle Zeit, wo das Gehirn sich regenerieren kann von dem permanenten Stress, den uns die digitalen Medien bringen. Das habe ich in einem klugen Buch gelesen und wollte es zügig umsetzen.
Die ersten 96 Stunden waren eine Offenbarung. Der „kalte Entzug“ brachte ein Kaleidoskop der Emotionen hervor, vom Protest und Zorn bis zu Erleichterung und Ruhe und ganz viel Langeweile – denn wenn nichts ist, dann muss doch was passieren! Also wurde Wasserball gespielt, Verstecken und Stille Post, herumgelegen in einem Meer aus Büchern, Comics gezeichnet und Pläne für einen Hühnerstall, gelacht und gejammert und natürlich immer wieder geklagt und diskutiert. Wir saßen alle im selben Boot und jeder organisierte sich, suchte sich einen Platz, probierte was aus.
Mit der Rückkehr zuhause scheiterte das Projekt abrupt, weil plötzlich alles wieder in unmittelbarer Nähe war – Handy, Computer und Laptop. Wie sollten wir bloß die restlichen zehn Tage überstehen? Mein Frust war grenzenlos, als ich merkte, dass es zuhause ungleich schwieriger war als an einem Ort, wo es keine digitalen Medien gab. „Ich bin gescheitert“, jammerte ich ins Telefon, als ich am Abend unserer Rückkehr mit meiner Freundin telefonierte.
Sie ermutigte mich und sagte: „Das ist doch toll! Ihr habt vier ganze Tage geschafft!“ Ich brauchte einige Tage, um diese neue Perspektive einzunehmen. Ja: Der Umgang mit digitalen Medien ist ein „long term run“. Es ist die Entwicklung eines Lebensstils, bei dem ich mich selbst disziplinieren lerne. Es ist definitiv ein Kampf, den ich nicht in vierzehn Tagen gewinnen kann. Jeder kleine Schritt ist besser als nichts und somit ein kleiner Sieg.
Was mich hinein ins geistliche Leben führt und in die Fastenzeit. Wenn ich mir vornehme, 40 Tage auf Süßes zu verzichten, weiß ich jetzt schon, dass ich scheitern werde. Das ist meine Erfahrung der letzten Jahrzehnte. Deswegen nehme ich mir für diese Fastenzeit nur klitzekleine Dinge vor, die ich langfristig bewältigen kann, auch wenn der Alltag fordernd und stressig ist.
Ich bete in der Fastenzeit mehr für andere als sonst, und nicht nur für meine eigenen Angelegenheiten. Ich nehme mir vor, für eine bestimmte Summe pro Woche Almosen zu geben, sei es in Form von kleinen Geschenken, Spenden oder gebackenen Kuchen. Auch das Fasten übe ich in einigen Bereichen, wo ich Abhängigkeiten habe. Mal ist es das Stück Schokolade, das ich nicht mehr esse, mal ist es das Handy, das ich früher abdrehe.
Die Fastenzeit muss alltagskompatibel sein – ebenso wie mein „Digitaler Detox“. Mit vielen klitzekleinen Schritten lässt sich eine lange Strecke zurücklegen. Und mein ehrgeiziges Projekt, das ich zunächst als gescheitert betrachtet habe, hat bemerkenswerte Früchte getragen.
Erstens: Ich erkenne Nuancen eines geänderten Verhaltens im Umgang mit den Medien. Denn jeder, der einmal am eigenen Leib gespürt hat, dass es möglich ist, vier Tage ohne Handy & Co. zu überleben, dem fällt es ungleich leichter, es mal für ein paar Stunden wegzulegen. Man hat doch schon viel mehr geschafft!
Zweitens: Die Handys liegen jetzt immer öfter in einer hölzernen Kiste mit dem Label „Digitales Werkzeug“. Wenn ich das Werkzeug brauche, nehme ich es. Wenn ich es nicht mehr brauche, lege ich es wieder zurück in den Werkzeugkoffer, so wie ich es mit der Bohrmaschine oder dem Akkuschrauber mache. Jeden Tag üben wir das, jeden Tag versuchen wir, kleine Schritte in die Freiheit zu festigen.
Drittens: Die Kreativität, die aus der Langeweile entstanden ist, hat sich übrigens sehr belebend ausgewirkt. Gleich nach der Rückkehr aus dem Kurzurlaub wurde der Hühnerstall gebaut. Drei Hühner sind mittlerweile eingezogen, pünktlich zum Aschermittwoch. Ohne den „Digital Detox“ wäre das Projekt „Hühnerstall“ nie zustande kommen.
„Die Fastenzeit ist nicht wie ein Berg, den es zu erklimmen gilt“, habe ich zuletzt in einem wunderbaren Beitrag auf „Aleteia“ gelesen. Sie sei eher „ein Kieselstein, den man in einen stillen Teich wirft. Während die anfänglichen Wellen vielleicht nur subtil sind, breitet sich ihre Wirkung nach außen aus und verändert nach und nach das gesamte Gewässer. Ebenso haben kleine, beständige Gewohnheiten, die wir während unserer 40 Tage in der Wüste gepflegt haben, das Potenzial, nach außen zu wirken, unser Leben zu prägen und uns Gott näher zu bringen.“
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