12. Februar 2024 in Schweiz
Ein Gastkommentar von Kanonikus Dr. Martin Grichting, Kanonikus Pfr. Dr. Roland Graf und Dekan Pfr. Matthias Hauser zum Einspruch in Rom
Chur (kath.net)
Vor einigen Tagen hat das Dikasterium für den Klerus einen hierarchischen Rekurs von drei Priestern der Diözese Chur gutgeheissen und damit die bischöfliche Genehmigung der Statuten des Priesterrates vom 1. Dezember 2021 widerrufen. Das Dikasterium hat inzwischen Bischof Joseph Maria Bonnemain beauftragt, "neue Statuten" zu erlassen, die den kanonischen Vorgaben entsprechen".
Ein Gastkommentar von Kanonikus Dr. Martin Grichting, Kanonikus Pfr. Dr. Roland Graf und Dekan Pfr. Matthias Hauser zum Einspruch in Rom
Warum wir einen Hierarchischen Rekurs gegen die Genehmigung der Statuten des Priesterrats des Bistums Chur durch den Diözesanbischof eingereicht haben
Am 20. Januar 2024 hat Bischof Joseph Maria Bonnemain an mehrere hundert Priester, Diakone und Laienmitarbeiter eine interne Mailmitteilung versandt. Er hat darin bekannt gegeben, dass seitens des Dikasteriums für den Klerus einem Hierarchischen Rekurs stattgegeben wurde, den wir eingereicht haben. Es geht bei diesem Rekurs um die Gültigkeit der Statuten des Priesterrats. Eine Medienmitteilung erfolgte in der Sache seitens des Bischofs jedoch nicht.
Es wäre im Internetzeitalter naiv zu erwarten, dass der Versand eines internen Massenmails nicht bei den Medien landet. So ist es auch in diesem Fall geschehen. Wir haben seitens von Medien verschiedene Anfragen erhalten. Ebenfalls haben inzwischen zwei Medien (swiss-cath.ch und kath.net) aufgrund des Massenmails des Bischofs berichtet.
Da die Mailmitteilung des Bischofs weder den Kontext der Entscheidung des Dikasteriums für den Klerus erklärt noch den Inhalt verständlich wiedergibt, sind in der Öffentlichkeit Verunsicherung und Spekulationen entstanden. Die Verwirrung ist noch gesteigert worden durch die Berichterstattung seitens des Portals kath.ch vom 9. Februar 2024. Wir haben bisher zu allen Vorgängen geschwiegen und lediglich intern die Mitglieder des Churer Priesterkreises über den wahren Sachverhalt informiert. Aufgrund der chaotischen Berichterstattung durch kath.ch, die geeignet ist, unseren guten Ruf zu beschädigen, sehen wir uns nun jedoch gezwungen, Transparenz zu schaffen.
Bischof Joseph Maria Bonnemain ist aufgrund langjähriger Mitgliedschaft im Priesterrat bekannt, dass die Frage des Statuts umstritten ist. In der Zeit vor Bischof Vitus Huonder bestand ein Statut, dessen Legitimität bestritten wurde, da viele Laienmitarbeiter sich faktisch an der Wahl von Priesterratsmitgliedern beteiligt hatten. Denn sie haben zusammen mit den Priestern den Dekan gewählt, der dann ex officio Mitglied im Priesterrat war. Dieser Zustand war umso mehr stossend, als die Laienmitarbeiter und Diakone schon damals einen eigenen Rat wählen konnten, der analog zum Priesterrat den Bischof berät (Rat der Laientheologinnen, Laientheologen und Diakone im Bistum Chur, RLD). Bischof Vitus erliess deshalb im Jahr 2014 ein Statut, das den Vorgaben der Kleruskongregation und des Kirchenrechts entsprach und die Wahl der Mitglieder des Priesterrats auf die Priester beschränkte.
Nach seinem Amtsantritt im Jahr 2021 hat Bischof Bonnemain dieses Statut kommentarlos vom Tisch gewischt und eine Kommission ernannt, der niemand angehört hat, der das von Bischof Vitus erlassene kirchenrechtskonforme Statut befürwortet hat. Diese einseitig zusammengesetzte Kommission hat in der Folge ein neues Statut ausgearbeitet. Nachdem der Diözesanbischof dieses Statut genehmigt hat, haben wir ihn schriftlich um dessen Rücknahme gebeten, weil es in verschiedenen Punkten den kirchlichen Vorgaben widerspricht. Daraufhin hat der Diözesanbischof weder das Gespräch mit uns gesucht noch sich inhaltlich mit unseren Argumenten auseinandergesetzt. Stattdessen haben wir einen kurzen Brief erhalten, in dem der Bischof auf seinem Standpunkt beharrt hat.
Aufgrund dieses bischöflichen Vorgehens, das der stets betonten «Synodalität» widerspricht, haben wir beim Dikasterium für den Klerus einen Hierarchischen Rekurs eingelegt. Das Dikasterium hat nach reiflicher Überlegung – die Entscheidung ist nach fast zwei Jahren erfolgt – entschieden. Der Entscheid (LINK) gründet auf der vom II. Vatikanischen Konzil erneut betonten Lehre, dass das gemeinsame Priestertum der Gläubigen und das hierarchische Priestertum sich «dem Wesen nach» voneinander unterscheiden (Lumen Gentium, 10). Deshalb hat nach den Vorgaben der Kirche die Beratung des Diözesanbischofs durch einen Priesterrat zu erfolgen, der massgeblich von den Priestern des Bistums zu bestellen ist und weitere Priester umfasst, die der Diözesanbischof ernennt oder ex officio Mitglieder sind.
Das aktuelle, irreguläre Statut des Priesterrats widerspricht gemäss dem Dikasterium für den Klerus in verschiedenen Punkten dem übergeordneten Kirchenrecht: So missachtet es die Vorgabe, dass etwa die Hälfte der Mitglieder des Rats von den Priestern – und ausschliesslich von diesen – gewählt werden muss. Nach dem irregulären Statut sind nur zwei von dreissig Mitgliedern zu wählen, denn alle 16 Dekane des Bistums gehören dem Priesterrat ex officio an, die restlichen sind des Amtes wegen Mitglieder oder direkt durch den Bischof ernannt. Die Dekane sind zwar in den einzelnen Dekanaten gewählt. Dort wählen jedoch viele Laientheologen, Religionspädagogen und Diakone mit, die kein aktives Wahlrecht für den Priesterrat besitzen. In mehreren Dekanaten macht diese Personengruppe gar die Mehrheit der Mitglieder aus. Laientheologen und Diakone wählen also direkt die Mitglieder ihres Rats (RLD) und zudem – gemäss dem vom Apostolischen Stuhl widerrufenen Statut – indirekt die Mehrheit der Mitglieder des Priesterrats. Ebenfalls widerspricht die Überrepräsentation der Dekane der kirchenrechtlichen Vorgabe, dass die Priester des Bistums hinsichtlich der verschiedenen Dienste repräsentiert sein sollen. Das hat zur Folge, dass dem aktuellen Priesterrat keine Priester aus den Reihen der Pensionierten, der jüngeren Weihejahrgänge und der Vikare angehören.
Der Diözesanbischof muss nun auf Geheiss des Dikasteriums für den Klerus ein kirchenrechtskonformes Statut erlassen. Auf dessen Basis kann dann ein neuer Priesterrat berufen werden. Bis dieses Statut in Kraft ist, darf der Bischof den widerrechtlich zusammengesetzten Priesterrat nicht mehr einberufen. Damit ist es aber nicht getan, denn der 2021 berufene Priesterrat hat in den vergangenen zwei Jahren an mehreren für das Bistum bedeutsamen Entscheidungen mitgewirkt. Diese Entscheidungen erweisen sich nun im Lichte der Gutheissung des Hierarchischen Rekurses als nichtig. Namentlich geht es unter anderem um folgende Punkte:
«Pastoralkonzept und Pastoralplanung für ein Bistum der Zukunft»
«Revision Berufs-Nomenklatur» (Veränderung der Nomenklatur der Laienmitarbeiter: «Seelsorger» statt Pastoralassistent, «Theologe» statt Laientheologe)
«Verhaltenskodex» betreffend Übergriffe (falls er dem Priesterrat zur vorgängigen Beratung vorgelegt wurde)
«Handreichung für eine synodale Kirche».
Wir erwarten, dass der Diözesanbischof diese Dokumente bzw. Beschlüsse widerruft und von einem rechtskonform bestellten Priesterrat diskutieren und neu beurteilen lässt.
Chur/Unteriberg/Vals, 9. Februar 2024
Kan. Dr. Martin Grichting
Kan. Pfr. Dr. Roland Graf
Dekan Pfr. Matthias Hauser
© 2024 www.kath.net