1. August 2021 in Aktuelles
Präsident des Austrian Institute of Economics and Social Philosophy in der Herder-Korrespondenz: Privateigentum ist kein "zweitrangiges" Naturrecht, sondern ein "Weg, Bürgern in armen Ländern zu einem Leben in Würde und Wohlstand zu verhelfen."
Freiburg/Wien (kath.net/ KAP)
Der Sozialethiker Prof. Martin Rhonheimer hat das Recht auf Privateigentum unterstrichen und gegen Relativierungen im kirchlichen Diskurs darüber verteidigt. Anlass für seine ausführliche Darlegung des Eigentumsbegriffs aus katholischer Sicht in der Juli-Ausgabe der "Herder Korrespondenz" ist die jüngste Sozialenzyklika von Papst Franziskus. So werde das Recht auf Privateigentum in der Enzyklika "Fratelli tutti" als ein bloß "sekundäres" Naturrecht beschrieben, "das sich aus dem Prinzip der universalen Bestimmung der geschaffenen Güter ableitet". Es dürfe deshalb nicht "über die vorrangigen und ursprünglichen Rechte gestellt werden" (Nr. 120).
Dem hält Rhonheimer, der Gründungspräsident des Austrian Institute of Economics and Social Philosophy in Wien ist, die bisherige kirchliche Lehrentwicklung, aber auch die dem zugrunde liegenden philosophischen Ansätze seit der Antike entgegen. Eine negative Zuschreibung des Eigentumsbegriffs sei dort feststellbar, wo Ökonomie als Nullsummenspiel missverstanden werde. Laut dem in Rom lehrenden Sozialethiker und Opus-Dei-Priester sei diese Sichtweise bereits im Mittelalter überwunden gewesen.
Pioniere seien dabei "ausgerechnet Mitglieder des aus der mittelalterlichen Armutsbewegung hervorgegangenen Franziskanerordens, insbesondere Petrus Iohannis Olivi (1248-1298)", gewesen. Dieser habe, so Rhonheimer, in seinem äußerst einflussreichen "Traktat über Verträge" wohl als Erster systematisch darüber reflektiert, dass es Reichtum gibt, der nicht auf Unrecht und Raub, sondern auf Wertschöpfung beruht, und dass Geld, das man unter Risiko in gewinnbringende Geschäfte investiert, "Kapital" ist, das nicht nur kaufmännischen Gewinn abwirft, sondern auch dem Gemeinwesen nutzt und das Leben der Menschen verbessert.
Mit Berufung auf die Tradition der kirchlichen Soziallehre seit der Sozialenzyklika "Rerum novarum" von Papst Leo XIII. aus dem Jahr 1891 und ihre Weiterentwicklung bis "Centesimus annus" unter Papst Johannes Paul II. 1991, aber auch mit der auf das scholastische Naturrecht gegründeten Eigentumsethik "kann eine Position der Relativierung des Rechts auf Privateigentum als 'bloß sekundäres', 'zweitrangiges' und im Interesse des Gemeinwohls beziehungsweise aus sozialen Gründen einzuschränkendes Recht nur schwer gerechtfertigt werden", resümiert Rhonheimer. So habe die Tradition die Beziehung zwischen dem Prinzip der universalen Bestimmung der Güter und dem Recht auf Privateigentum nie als eine zwischen einem "primären" und einem "sekundären" Naturrecht verstanden. "Ersteres formuliert überhaupt kein Recht, sondern allein ein grundlegendes Prinzip, aus dem das Recht auf Privateigentum seine letzte Begründung und Rechtfertigung erhält", betont der Sozialethiker.
Die dem Kontext antik-römischer Nullsummenökonomie entspringenden Aussagen einiger Kirchenväter, Reichtum sei Raub an den Armen, "passen nicht in eine Welt, in der Kapitalismus, Marktwirtschaft und Unternehmertum im Rahmen rechtsstaatlich geordneter und freiheitlicher Demokratien den Ton angeben", schreibt Rhonheimer und hält fest: "In dieser Welt ist die Erzeugung von Reichtum kein Nullsummenspiel wie in der christlich-römischen Antike, sondern ein Prozess, aus dem alle Nutzen ziehen. Eine solche Welt setzt den Schutz des Rechts auf Privateigentum voraus und ermöglicht genau deshalb eine Ökonomie des zunehmenden Massenwohlstandes." Auch für die armen Länder sei das, wie Johannes Paul II. in seiner letzten Sozialenzyklika betont habe, "der Weg, ihren Bürgern zu einem Leben in Würde und Wohlstand zu verhelfen".
Martin Rhonheimer (geb. 1950) ist katholischer Priester und Professor für Ethik und politische Philosophie an der Päpstlichen Universität Santa Croce in Rom. Er ist zudem Präsident des Austrian Institute of Economics and Social Philosophy in Wien. Dieses fühlt sich inhaltlich sowohl der Katholischen Soziallehre als auch der Österreichischen Schule der Nationalökonomie verpflichtet. Zum Selbstverständnis des Instituts heißt es auf der dessen Internetseite: "Das Austrian Institute hat sich zum Ziel gesetzt, das ethische Ideal selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Handelns unter den Bedingungen einer freien Marktwirtschaft zu fördern, so dass sich das Unternehmertum ohne staatliche und bürokratische Bevormundung zum Wohl aller Gesellschaftsschichten entfalten kann."
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