23. August 2019 in Weltkirche
Als Erzbischof von Melbourne und Sydney war der Kardinal ein Pionier in der Aufklärung und Bekämpfung sexuellen Missbrauchs durch Kleriker.
Melbourne (kath.net/jg)
In der Berichterstattung über den Gerichtsprozess gegen Kardinal George Pell gerät leicht in Vergessenheit, dass der ehemalige Erzbischof von Melbourne bereits 1996 erste Maßnahmen zur Aufklärung von Missbrauchsfällen und Entschädigung für die Opfer gesetzt hat. Das schreibt Raymond de Souza in einem Artikel für den National Catholic Register. (Siehe Link am Ende des Artikels)
Pell wurde 1987 Weihbischof von Melbourne und 1996 Erzbischof der Diözese. Nur 75 Tage später richtete er die so genannte Melbourne Response für Opfer von sexuellem Missbrauch ein, erinnert de Souza.
Im Rahmen der Melbourne Response wurde eine unabhängige Stelle geschaffen, welche Missbrauchsfälle untersuchte und den Opfern Beratung und Kompensation zugesprochen hat. Die Höchstsumme betrug zunächst 50.000 australische Dollar; sie wurde später auf 75.000 und 150.000 Dollar angehoben. Im Durchschnitt erhielten die Opfer 38.000 Dollar.
Diese Summen seien höher gewesen, als die entsprechenden Entschädigungen staatlicher Missbrauchsstellen, obwohl diese aus Steuermitteln finanziert gewesen seien, schreibt de Souza.
Die unabhängige Kommission untersuchte 350 Fälle und bestätigte die Vorwürfe in 97 Prozent davon. In den fünf Jahren in denen Kardinal Pell Erzbischof von Melbourne war, hat er 28 Priester aus der Seelsorge entlassen.
De Souza gibt drei Gründe an, die Kardinal Pell dazu veranlasst haben dürften, als einer der ersten Bischöfe eine Missbrauchsstelle in seiner Diözese einzurichten.
Erstens habe Kardinal Pell sexuellen Missbrauch durch Kleriker wiederholt als abscheulich bezeichnet. Er sei bereit gewesen, entsprechende disziplinäre Maßnahmen zu ergreifen.
Zweitens habe er als Weihbischof von Melbourne gesehen, wie schlecht sein Vorgänger mit Missbrauchsfällen umgegangen sei. Als er selbst Erzbischof geworden sei, wusste er wie die Erzdiözese funktioniere und wo dringender Handlungsbedarf bestand.
Drittens war Kardinal Pell seit 1990 Mitglied der Glaubenskongregation. Während der 1990er-Jahre arbeitete Kardinal Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation an einer Reform des Umgangs mit klerikalem Missbrauch, die in der Entscheidung von Papst Johannes Paul II. gipfelte, alle Fälle sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen durch die Glaubenskongregation untersuchen zu lassen. Kardinal Pell kannte daher die globalen Ausmaße des Problems früher als die meisten anderen Bischöfe.
Auch in anderer Hinsicht war Kardinal Pell ein Pionier, schreibt de Souza. 2002 war er mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe 1961 einen Knaben bei einem Sommerlager missbraucht. Pell war damals Erzbischof von Sydney. Er unterwarf sich dem Prozess, den er für die Priester seiner Erzdiözese eingerichtet hatte und legte die Leitung des Erzbistums zurück. Der Fall wurde von einem unabhängigen pensionierten Richter untersucht. Pell wurde von den Vorwürfen freigesprochen und übernahm 2002 wieder die Leitung der Erzdiözese.
Maßnahmen dieser Art seien in den letzten Jahren in vielen Diözesen eingeführt worden. Regelungen für Bischöfe würden in vielen Bistümern erst jetzt diskutiert und ausgearbeitet. Pell habe dies bereit vor zwanzig Jahren begonnen und sich auch selbst den Regelungen unterworfen, betont de Souza.
De Souza hat den Artikel vor der Bestätigung des Urteils gegen Kardinal Pell durch das Berufungsgericht in Melbourne geschrieben. Er sei von der Unschuld des Kardinals überzeugt, schreibt er.
Raymond de Souza ist katholischer Priester. Er gibt das Magazin Convivium heraus und schreibt regelmäßig für den National Catholic Register.
Link zum Artikel von Raymond de Souza im National Catholic Register (englisch):
Cardinal Pells Groundbreaking Record on Dealing With Clergy Sexual Abuse
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