9. Jänner 2025 in Weltkirche
Grundsatzkritik: „Wer interessiert sich für eine Religion ohne das Heilige? Niemand. Es ist einfach langweilig. Eine flache Liturgie ist bloß ein schlechtes Theaterstück mit einem seltsamen Szenario, aufgeführt von zweitklassigen Schauspielern.“
‘s-Hertogenbosch (kath.net/Blog Paarse Pepers) kath.net dokumentiert Auszüge aus dem Blogbeitrag „Notre Dame und die Zukunft der Kirche in den Niederlanden“ (22.12.2024) von Rob Mutsaerts (Foto), Weihbischof von ‘s-Hertogenbosch (Niederlande) in eigener Arbeitsübersetzung.
„Notre Dame ist in all ihrer Pracht wiederauferstanden. Gott sei Dank, denn ursprünglich waren völlig andere Pläne im Spiel. Okay, es gibt ein paar Fehlschläge –ein seltsam gestalteter minimalistischer Altar aus Bronze, der mit der Erhabenheit der Kathedrale kollidiert; Metallsitze; ein Taufbecken, das nicht wie ein Taufbecken aussieht, ein Chormantel, der aussieht, als wäre er von einem Clown geliehen, und seltsame Kelche – dennoch zeugt das Ganze von großer Schönheit. Auch die liturgischen Zeremonien rund um die Wiedereröffnung von Notre Dame waren würdevoll. Es führt den Gläubigen über das Alltägliche hinaus ins Übernatürliche. Gerade Letzteres ist es, was wir in unserer Zeit, in der alles verständlich sein muss, so dringend brauchen […] Das Heilige hat dem Zwischenmenschlichen Platz gemacht.“
„Wie konnte es soweit kommen, dass wir in kirchlichen Kreisen das erleben, was wir heute sehen: Regenbogenfahnen, LGBT-Aktivisten, die um den Altar tanzen, zweitklassige Bands, die Popmusik spielen, Predigten, die eher ein Ausdruck politischer Korrektheit sind? Wie kommt es, dass das Schöne und das Wahre der Hässlichkeit und den Meinungen gewichen sind? Hässliche Gebäude, weißgetünchte Wände, Bildersturm und schlecht gespielte Aufführungen, die als Liturgie durchgehen. Kniebänke und Kommunionbänke wurden entfernt. Das Mysterium, das Heilige, das Übernatürliche mussten der horizontalen Flachheit weichen.“
Dagegen habe er in Notre Dame „Respekt für die Tradition“ wahrgenommen, schildert der Bischof dann. Er habe „himmlische Lieder“ vom Jugendchor gehört und „einen Hunger nach dem Transzendenten“ gespürt. „Christus stand erneut im Mittelpunkt. Ich sehe diesen Wunsch bei den sogenannten Neukatholiken, worauf ich gleich noch näher eingehen werde. Doch in Rom ist dies noch nicht durchgedrungen. Dort beschäftigt sie das neue Schlagwort Synodalität. Wenn wir nur synodal würden, werde die Kirche wieder attraktiv“ und sie würde „wieder eine Zukunft haben, lautet die feste Meinung. Alles werde sich ändern, wenn man einfach zuhörte. „Es wird der Eindruck erweckt, als hätten die Pfarrer in den vergangenen 2000 Jahren nie zugehört. Ich glaube nicht, dass sie täglich etwas anderes tun. Es wird so dargestellt, als ob der Heilige Geist 2000 Jahre lang geschlafen hätte. Ich sehe da was anderes. Es ist gerade der Geist der modernen, säkularen Zeit, dem die Menschen verfallen sind. Die Führung der Kirche ähnelt Demas, der Paulus aus Liebe zur säkularen Welt verließ. Und an Judas, der dachte, das für Jesus ausgegebene Geld wäre besser für die Armen ausgegeben worden. Dies kommt bei den Liberaleren gut an. Sie sind wie diejenigen, die nach Barabbas schreien, dem Aktivisten, der nach einem weltlichen Utopia strebte. Sie sagen: Wir nehmen die Sache selbst in die Hand. Jesus hingegen tat den Willen des Vaters und wählte das Kreuz. Das schien ein Versagen zu sein, aber es war das Kreuz, das die Erlösung brachte.“
Bischof Mutsaerts fragt, warum eigentlich Menschen in den letzten sechzig Jahren aus der Kirche ausgetreten seien. Seine Antwort: „Weil die Kirche sie im Stich gelassen hat. Die Kirche hat die Kirchenmitglieder in die Irre geführt. Ja, sagt die Kirche, wir setzen uns für die Umwelt, für den Klimawandel, für Vielfalt, für die Armen und solche Themen ein. Und darauf wird mehr Wert gelegt als auf eine würdige Liturgie, auf Sakralität, auf den Aufruf zur Umkehr und darauf, das Seelenheil in den Vordergrund zu stellen. Man vergisst, dass es genau dies ist, was dem Menschen die nötige Nahrung gibt, damit er wirklich Werke der Barmherzigkeit vollbringen kann. Mutter Teresa, Peerke Donders, der heilige Franziskus und Pater Damien hätten ihre Leistungen nie vollbracht, wenn sie sich nicht durch die Sakramente, das Gebet, die eucharistische Anbetung und den Rosenkranz gestärkt hätten“ – und mit dieser Stärkung haben sie dann diese Themen „nicht der Politik oder den Institutionen überlassen. Mutter Teresa drückte dies ganz deutlich aus: ‚Wenn sich die Menschen nicht ändern, werden sich auch die Strukturen nicht ändern.‘ Seit den 1960er Jahren stellt die Kirche den Glauben als lächerlich dar, benennt seinen Kern nicht mehr und korrigiert keine seiner Exzesse. Schauen Sie sich den an der Tagesordnung befindlichen liturgischen Missbrauch an. Ich werde bei Firmungsmessen regelmäßig von Chören terrorisiert, die ausschließlich Top-2000-Lieder singen. Ich habe einmal erlebt, dass der Chor, begleitet von einer ohrenbetäubenden Band, ausschließlich Lieder von Bruce Springsteen sang. ‚Weil die Nacht den Liebenden gehört‘ war das Opferlied. Am Ende der Messe war mir klar: Diese Konfirmanden werden wir nie wieder in der Kirche sehen. Bei einer anderen Firmmesse (Nijmegen) verweigerte der Pfarrer einem Firmling die Kommunion, weil dieser die Mundkommunion empfangen wollte. Eigentlich ist das sehr klerikal: Dieser Priester macht seine eigenen Regeln und zwingt sie den Gläubigen auf.“
Der Bischof vertritt weiter: „Das ist das Problem der Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil: Die Kirche lehrt nicht, was das Evangelium lehrt. Wir haben Angst, die katholischen Ansichten zu verkünden. Welcher Pfarrer spricht noch von Seelenheil“ und der „Vergebung der Sünden? Wir distanzieren uns lieber davon. Wir entschuldigen uns wegen einem Kollegen, der vor einer Abtreibungsklinik Wache hält und betet.“ Oder man unterstütze die Entscheidung der Leitung einer römisch-katholischen Schule, „die den Schwestern den Zugang zur Schule verwehrt, weil diese Schwestern beim Thema Ehesakrament nur eine Variante erwähnen: Mann/Frau. Kein Wunder, dass die Kirche stirbt. Wofür stehen wir eigentlich? Der Papst verbot die traditionelle lateinische Messe in Chartres und Notre Dame und setzte in der gleichen Woche eine LGBT-Pilgerfahrt auf das Programm des Heiligen Jahres. Wir streben so sehr nach ‚Freiheit und Glück‘, aber in der Praxis scheint dies zu Ausschweifung und Unzufriedenheit zu führen. Was es braucht, sind Normen und Werte, die wir teilen. Woher bekommen wir das? Normen und Werte, die für alle und zu jeder Zeit gelten. Ja, es gibt so etwas wie die Wahrheit, die für alle gilt. Und ja, wir können sie kennen. Schon Sokrates, Platon und Aristoteles wussten das. Dieses Naturgesetz hat einen übernatürlichen Ursprung, von dem die säkulare Welt nichts weiß.“
„Was geschah nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil?“, fragte der Bischof weiter. „Es wurde ein Dialog mit der Welt aufgenommen. Das ist nicht unvernünftig. Doch was tat man? Man setzte die Wahrheit des katholischen Glaubens vorübergehend in Klammern, um in einen Dialog mit der Moderne zu treten. Dies hat letztendlich zu einer vollständigen Akzeptanz der säkularen Welt geführt. Die Kirche war so erpicht darauf, der Welt ihre Bedeutung zu demonstrieren, dass sie ihre Identität völlig verlor. Man kam zu dem Schluss, dass der Heilige Geist in der säkularen Welt ebenso stark oder sogar stärker am Werk sei als in der Kirche selbst. Man ging sogar so weit, die zeitlosen Wahrheiten der Kirche zu relativieren oder gar zu leugnen. Sie wären lediglich Ausgeburten der Fantasie von Thomisten und anderen veralteten Theologen. Dies führte zu einer völlig horizontalen Übersetzung des Evangeliums. Die Metaphysik wurde über Bord geworfen, der Schwerpunkt lag ausschließlich auf der Gemeinschaft. Das Ergebnis ist eine flache Liturgie, in der für Sünde und Vergebung kein Platz mehr ist. Die Schuld wurde auf andere geschoben. Es waren die Strukturen, die sich ändern mussten. Aus ‚mea culpa‘ wurde ‚tua culpa‘, denn mir geht es gut, es ist nicht meine Schuld. Der sakrale Charakter war nicht mehr zu erkennen. Der Glaube an die Realpräsenz wurde nicht mehr übernommen.“ Die Eucharistie „war zu einem Symbol geworden, mehr nicht. Die Gegenwart Jesu ist in uns, nicht in Brot und Wein. Die Eucharistie wurde zu einer Mahlzeit degradiert.“ Deshalb seien alle herzlich eingeladen, die Hostie – präsentiert von Flipflops in dazu passenden Jeans, zu empfangen. Natürlich nicht kniend und in Mundkommunion. Es ist nur ein Symbol. Saß Jesus nicht auch mit Sündern am Tisch? (Nein, nein. Beim letzten Abendmahl waren nur die Apostel anwesend. Jesus verband dieses letzte Abendmahl ausdrücklich mit dem Kreuzesopfer am nächsten Tag.) Warum nur Messen feiern, wenn wir auch den Weltfrieden feiern?“
Heutzutage soll es, so beschreibt der Bischof die kirchliche Mainstreammeinung zumindest für den westeuropäischen Bereich, „um soziale Gerechtigkeit gehen, um Suppenküchen, um Taten. Ja, hauptsächlich Taten. Wir treten gegen Diskriminierung und Rassismus ein und beteiligen uns an der gesellschaftlichen Debatte zum Klimawandel. Wir sind selbstverständlich inklusiv und vielfältig und hissen die Regenbogenflagge. Natürlich sprechen wir nicht über Abtreibung, Euthanasie und Verstümmelung von Transgender-Personen. Die Unterscheidung zwischen dem Heiligen und dem Profanen ist völlig verschwunden.“
„Vor allem junge Menschen haben das sehr wohl gespürt und haben mit den Füßen abgestimmt“, vertritt der niederländische Bischof. Denn „wenn die Liturgie ein zusammenhangloses Durcheinander ist, wenn Sie nicht aufgefordert werden, Ihr Leben neu zu ordnen, wenn Vergebung und Sünde verbotene Worte sind, was machen Sie dann dort?“ Doch „eine gute Liturgie, Klarheit und Wärme machen den Unterschied. Junge Menschen suchen Antworten auf Fragen. Und das haben wir. Vernünftige Antworten. Fides quaerens intellectum, erinnern wir uns noch? Die Kirche muss erneut betonen, dass das Heilige einer anderen, höheren Ordnung angehört. Aus diesem Grund gibt es heilige Orte, heilige Liturgie und geweihte Gebäude, die einzig und allein der Anbetung und Andacht dienen. Deshalb müssen wir die heilige Sprache in der Liturgie von der Alltagssprache unterscheiden. Übrigens: Wenn man das Übernatürliche ignoriert, geht dies auch auf Kosten des Natürlichen, das auf flache, bedeutungslose Inhalte reduziert wird. Das Verschwinden der Religion aus der Gesellschaft geht auch zu Lasten des Säkularen. Wer interessiert sich für eine Religion ohne das Heilige? Niemand. Es ist einfach langweilig. Eine flache Liturgie ist bloß ein schlechtes Theaterstück mit einem seltsamen Szenario, aufgeführt von zweitklassigen Schauspielern. Kein Wunder, dass junge Menschen, die nach Sinn, Vergebung und Wahrheit hungern, sich überhaupt nicht für Laudato Si‘, Fiducia Supplicans und Synodalität interessieren. Pfarreien und Bistümer, die meinen, hierauf einen Schwerpunkt zu setzen, ziehen junge Menschen nicht an. Wo findet man sie: in den Pfarreien, wo es schlicht traditionell zugeht, wo die Heilige Messe noch Heilige Messe ist, wo das Sakrale im Vordergrund steht, wo sich die Liturgie klar vom Weltlichen abgrenzt. Dort entdeckt man Dinge, die man bisher nicht wusste. Es ist eine Bewegung hin zu Schönheit, Wahrheit, Heiligkeit, hin zu Hingabe, hin zu Orten, wo das Sakrament der Beichte angeboten und der Rosenkranz gebetet wird. Dort sehe ich Familien, dort sehe ich junge Menschen, dort sehe ich die Zukunft der Kirche. Das sieht gut aus.“
Archivfoto Bischof Mutsaerts (c) Bistum ‘s-Hertogenbosch
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